Frage 101:
Hat Jesus Schweinefleisch gegessen? Wenn nicht, warum haben seine Apostel es getan?
Antwort:
Der Fragende lese Frage und Antwort 68. Dort wird erklärt, in welcher Weise Jesus in seiner Predigt und Praxis die Verbindlichkeit der Speisevorschriften des jüdischen Gesetzes relativiert hatte.
In der frühesten christlichen Gemeinde gab es getaufte Juden (Judenchristen) und getaufte Heiden (Heidenchristen). Es entstand die Frage, ob Heiden sich bei der Annahme des Christusglaubens beschneiden (und d.h. auf das ganze jüdische Gesetz, also auch die Speise- und Reinheitsvorschriften des jüdischen Gesetzes, verpflichten) lassen müssen. Das so genannte “Apostelkonzil” vom Jahre 48 (Gal 2; Apg 15,1-29) brachte Vertreter der verschiedenen frühesten christlichen Gruppen zusammen; es einigte sich darauf, dass der christliche Glaube unter den Heiden verbreitet werden solle ohne die Einhaltung des jüdischen Gesetzes zu fordern, dass jedoch unter den getauften Juden das jüdische Gesetz weiter einzuhalten sei. Es ist also davon auszugehen, dass die Apostel, einschließlich Paulus, die ja allesamt aus dem Judentum kamen, sich an die Reinheits- und Speisevorschriften des Gesetzes gehalten haben. Paulus selbst erklärt Gal 2,6, dass ihm bei der Einigung in Jerusalem keine Auflagen für die Heidenmission gemacht worden seien; auch 1 Kor 8-10 und Röm 14, wo er ähnliche Fragen behandelt, spricht er nicht von solchen Anordnungen. Er kennt das sog. Aposteldekret Apg 15, 23-29 offenbar nicht. Die Spannung lässt sich auflösen, wenn man erkennt, dass Lukas in Apg 15 die Antworten auf zwei Probleme verkürzend zusammenzieht: Bei der einen Streitfrage, in der Petrus und Paulus Partei ergreifen, geht es um die Verpflichtung des jüdischen Gesetzes für die bekehrten Heiden, vgl. Gal 2,1-10. Bei der anderen Streitfrage, die zeitlich später liegt und bei der Jakobus eine entscheidende Rolle spielt, geht es um das Zusammenleben von Judenchristen und Heidenchristen in derselben Gemeinde, vgl. Gal 2,11-21. Zwar konnte von Judenchristen mit Recht erwartet werden, dass sie sich um der gemeinsamen Zugehörigkeit zu Christus willen über die Sorge, sich in der Begegnung mit Heidenchristen gesetzlich zu verunreinigen, hinwegsetzten. Aber offenbar gab es bei vielen Judenchristen manche Hemmnisse, die schwer zu überwinden waren, vgl. Apg 15,20. So lag es nahe zu fordern, dass auch die Heidenchristen gewisse Rücksichten auf Mitchristen aus dem Judentum nehmen müssten. Dies dürfte dem sog. Aposteldekret (Apg 15, 23-29) zugrunde liegen. Lukas möchte in der Apostelgeschichte hervorheben, dass beide Regelungen im Einverständnis mit den Autoritäten und mit der Urgemeinde in Jerusalem getroffen wurden; deshalb zieht er sie im Kapitel 15 der Apostelgeschichte zusammen.