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Frage 121:

Vergebt ihr immer noch die Sünden gegen die Bezahlung von Almosen bzw. Geldspenden, wie es während der Bau des Petrusdomes üblich war?

 

Antwort auf beide Fragen:

Die beiden Fragen sind zunächst von einem gravierenden Irrtum geprägt: die grundlegende Unterscheidung in der Lehre der Kirche zwischen Sünden und Sündenstrafen wird nicht beachtet.

 

Zunächst gilt es, die Grundelemente der kirchlichen Lehre über die Sünde, die Buße und die Versöhnung ganz kurz ins Gedächtnis zu rufen: Der Katechismus der Katholischen Kirche (München/Leipzig/Freiburg, Schweiz/Linz, 1993) fasst die diesbezügliche Lehre folgendermaßen zusammen:

 

1485 Am Osterabend zeigte sich Jesus, der Herr, seinen Aposteln und sprach zu ihnen: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (Joh 20,22-23).

1486 Die Vergebung der nach der Taufe begangenen Sünden wird durch ein eigenes Sakrament gewährt; dieses heißt das Sakrament der Umkehr, der Beichte, der Buße und der Versöhnung.

1487 Wer sündigt, verletzt die Ehre und Liebe Gottes, seine eigene Würde als Mensch, der berufen ist, Kind Gottes zu sein, und das geistliche Wohl der Kirche, deren lebendiger Baustein jeder Christ sein soll.

1488 Im Licht des Glaubens gibt es nichts Schlimmeres als die Sünde; nichts hat so arge Folgen für die Sünder selbst, für die Kirche und für die ganze Welt.

1489 Die Rückkehr zur Gemeinschaft mit Gott, die durch die Sünde verloren war, geht aus den Gnade Gottes hervor, der voll Erbarmen um das Heil der Menschen besorgt ist. Man muss dieses kostbare Geschenk für sich selbst und die anderen erbitten.

1490 Die Rückkehr zu Gott, die Bekehrung und Reue genannt wird, besteht im Schmerz und im Abscheu vor den begangenen Sünden sowie im festen Vorsatz, zukünftig nicht mehr zu sündigen. Die Bekehrung erstreckt sich also auf die Vergangenheit und auf die Zukunft; sie wird von der Hoffnung auf die göttliche Barmherzigkeit genährt.

1491 Das Sakrament der Buße besteht in der Gesamtheit der drei Akte des Pönitenten [d. h. dessen, der seine Sünde bekennt und bereut] und in der Lossprechung durch den Priester. Die Akte des Pönitenten sind: die Reue, das Bekenntnis oder Aufdecken der Sünden vor dem Priester, und der Vorsatz, Genugtuung und Werke der Sühne zu leisten.

1494 Der Beichtvater erlegt dem Pönitenten auf, bestimmte Taten der „Genugtuung“ oder „Buße“ zu leisten, um den durch die Sünde angerichteten Schaden wieder gutzumachen und sich wieder die Verhaltensweisen eines Jüngers Christi anzugewöhnen.

1496 Die geistlichen Wirkungen des Bussakramentes sind:

- Die Versöhnung mit Gott, durch die der Sünder die Gnade wieder erlangt;

- die Versöhnung mit der Kirche;

- der Erlass der ewigen Strafe, der man durch Todsünden verfällt;

- der wenigstens teilweise Erlass der zeitlichen Strafen, die aus der Sünde folgen;

- der Friede und die Ruhe des Gewissens und der geistliche Trost;

- das Wachstum der geistlichen Kräfte für den christlichen Kampf.“

 

Eng mit dem Sakrament der Buße verbunden ist die kirchliche Lehre und Praxis vom Ablass. Der Katholische Erwachsenen-Katechismus (1985. (Hg.) Deutsche Bischofkonferenz) schreibt zu diesem Thema:

 

„Unter einem Ablass versteht man die Nachlassung zeitlicher Strafen von Sünden, deren Schuld bereits vergeben wurde. Der Ablass setzt also die persönliche Umkehr, bei schweren Sünden den Empfang des Sakramentes der Buße und beim vollkommenen Ablass außerdem den Empfang der Kommunion voraus. Denen, die bestimmte auferlegte Werke verrichten (vor allem Gebet, Besuch von Wallfahrtskirchen), wird der Ablass von der Kirche gewährt aufgrund des Schatzes der Genugtuung Jesu Christi und der Heiligen.

 

Diese Lehre und Praxis der Ablässe ist heute nur noch schwer verständlich. Will man die Lehre tiefer verstehen, dann muss man sie aus ihren geschichtlichen Wurzeln und in ihren größeren sachlichen Zusammenhängen begreifen.

In einer allgemeinen Weise hat es den Ablass im Grunde von Anfang an in der Kirche gegeben. Im Einzelnen hat der Ablass freilich eine lange Geschichte. In der alten Kirche spielte vor allem die Fürbitte der Bekennner, die in den Verfolgungen schwere Leiden erduldet hatten, eine große Rolle. Da die zeitlichen Sündenstrafen in der alten Kirche durch zeitlich begrenzte Kirchenstrafen „abgebüßt“ wurden, war lange Zeit von einem Ablass etwa von 100 oder 500 Tagen die Rede. Der Ablass in seiner heutigen Form ist im 11. Jahrhundert entstanden. Seit dem frühen Mittelalter wurde der Ablass nämlich oft mit bestimmten Frömmigkeitswerken verbunden: Teilnahme am Kreuzzug, Wallfahrt zu den heiligen Stätten, bestimmte Gebete oder gute Werke. In diesen Zusammenhang gehören der Portiunkula-Ablass, der Jubiläumsablass aus Anlass des Heiligen Jahres und der Allerseelenablass.

 

Oft war der Ablass auch mit finanziellen Spenden für kirchliche Zwecke verbunden. Das führte vor allem im späten Mittealter zu großen Missständen, die mit ein Anlass waren für den Beginn der Reformation. Das Konzil von Trient (1545-1563) hat daraufhin die Ablasspraxis gründlich reformiert und Missstände abgestellt; es hat jedoch grundsätzlich daran festgehalten, dass der Ablass für das christliche Volk überaus segensreich ist; es hat deshalb diejenigen verurteilt, die den Ablass für unnütz erklären oder der Kirche das Recht absprechen, Ablasse zu verleihen. Doch hat die Trennter Kirchenversammlung gewünscht, dass man bei der Verleihung der Ablässe nach altem, bewährtem Brauch der Kirche Maß halte und dass vor allem jede Gewinnsucht ausgeschlossen ist. Eine lehrmäßige Vertiefung der Lehre vom Ablass und eine praktischer Erneuerung für die Gegenwart erfolgte durch Papst Paul VI. in der Apostolischen Konstitution über die Neuordnung des Ablasswesens von 1967.

 

Für ein tieferes Verständnis der der Ablasspraxis zugrunde liegenden Lehre vom Ablass muss man sich zuerst klar machen, dass die Sünde eine doppelte Folge hat. Die Sünde führt einmal zur Aufhebung der Gemeinschaft mit Gott und damit zum Verlust des ewigen Lebens (ewige Sündenstrafe); sie verwundet und vergiftet zum anderen aber auch die Verbindung des Menschen mit Gott und das Leben der Menschen und der menschlichen Gemeinschaft (zeitliche Sündenstrafe). Beide Sündenstrafen sind von Gott nicht äußerlich „zudiktiert“, sondern folgen innerlich aus dem Wesen der Sünde selbst. Mit der Vergebung der Sündenschuld und der Wiederherstellung der Gemeinsaft mit Gott ist der Nachlass der ewigen Sündenstrafen verbunden. Es bleiben aber noch die zeitliche Sündenfolgen. Der Christ soll sich bemühen, durch geduldiges Ertragen von Leiden, Not und Mühsal, schließlich durch die bewusste Annahme des Todes diese zeitlichen Sündenfolgen aus Gottes Hand entgegen zunehmen und durch Werke der Barmherzigkeit und der Liebe sowie durch Gebet und die verschiedenen Ausdrucksformen der Buße den „alten Menschen“ vollends abzulegen und den „neuen Menschen“ anzuziehen (Eph 4,22-24).

 

Die Kirche bietet dem Christen noch einen anderen Weg an, den er in der Gnadengemeinschaft der Kirche zusätzlich beschreiten kann. Der Christ, der sich auf diese Weise mit Hilfe der Gnade Gottes läutert und heiligt, steht nämlich nicht allein. Er ist ein Glied am Leib Christi. In Christus sind alle Christen eine große solidarischen Gemeinschaft: „Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit“ (1 Kor 12,26). In dieser gemeinschaftlichen Teilhabe an den Heilsgütern, die uns Jesus Christus und mit Hilfe der Gnade Christi die Heiligen verdient haben, besteht der so genannte Kirchen- oder Gnadenschatz. Der Ablass kommt dadurch zustande, dass die Kirche auf Grund der ihr von Jesus Christus verteilten Vollmacht, zu binden und zu lösen, für den einzelnen Christen eintritt und ihm vollmächtig den Schatz der Genugtuung Christi und der Heiligen zum Nachlass der zeitlichen Sündenstrafen zuteilt. Dabei will die Kirche dem einzelnen Christen nicht nur helfen, sondern ihn auch zu Werken der Frömmigkeit, Buße und Liebe anspornen. Da auch die verstorbenen Gläubigen, die sich im Läuterungszustand befinden, Glieder der einen Gemeinschaft der Heiligen sind, können wir sie in der Weise der Fürbitte beim Abbüßen der zeitlichen Sündenstrafen unterstützen“ (S. 372-4).

 

Hierzu noch einmal der Katechismus der Katholischen Kirche:

 

„In der Gemeinschaft der Heiligen

 

1474 Der Christ, der sich mit der Gnade Gottes von seiner Sünde zu läutern und zu heiligen sucht, steht nicht allein. „Das Leben jedes einzelnen Kindes Gottes ist in Christus und durch Christus mit dem Leben aller anderen christlichen Brüder in der übernatürlichen Einheit des mystischen Leibes Christi wie in einer mystischen Person in wunderbarem Band verbunden.“ (Paul VI)

1475 In der Gemeinschaft der Heiligen „besteht unter den Gläubigen --seien sie bereits in der himmlischen Heimat oder sühnend im Reinigungsort oder noch auf der irdischen Wanderschaft – in der Tat ein dauerhaftes Band der Liebe und ein überreicher Austausch aller Güter“. In diesem wunderbaren Austausch kommt die Heiligkeit des einen den anderen zugute, und zwar mehr, als die Sünde des einen dem anderen schaden kann. So ermöglicht die Inanspruchnahme der Gemeinschaft der Heiligen dem reuigen Sünder, dass er von den Sündenstrafen früher und wirksamer geläutert wird.

1476 Diese geistlichen Güter der Gemeinschaft der Heiligen nennen wir auch den Kirchen- oder Gnadenschatz. Er ist nicht so etwas wie eine Summe von Gütern nach Art von materiellen Reichtümern, die im Lauf der Jahrhunderte angesammelt werden. Vielmehr besteht er in dem unendlichen und unerschöpflichen Wert, den bei Gott die Sühneleistungen und Verdienste Christi, unseres Herrn haben, die dargebracht wurden, damit die ganze Menschheit von der Sünde frei werde und zur Gemeinschaft mit dem Vater gelange. Der Kirchenschatz ist Christus, der Erlöser, selbst, insofern in ihm die Genugtuungen und Verdienste seines Erlösungswerkes Bestand und Geltung haben“ (Paul VI).

 

Aus dem hier Gesagten ergibt sich, dass der Misstand, Ablässe gegen die Bezahlung von Almosen bzw. Geldspenden für gute Zwecke zu gewähren spätestens durch das Trienter Konzil (1545-63) kirchenrechtlich abgeschafft ist.

 

Was die Theologie und die Praxis des Ablasses der Kirche im Jubiläumsjahr 2000 angeht, so gibt die päpstliche Verkündigungsbulle des Großen Jubiläums des Jahres 2000 „Incarnationis mysterium“ vom 29. November 1998 (Deutsche Bischofkonferenz: Verlautbarungen des Heiligen Stuhles 136) darüber eingehend Auskunft. Ein Paragraph dieses Textes muss hier genügen:

 

„Diese Lehre über die Ablässe macht also zunächst deutlich, „wie traurig und bitter es ist, sich von Gott dem Herrn abgewandt zu haben (vgl. Jer 2, 19). Denn wenn die Gläubigen die Ablässe erwerben, begreifen sie, dass sie aus eigener Kraft nicht fähig wären, das Übel, das sie durch die Sünde sich selbst und der ganzen Gemeinschaft zugefügt haben, wieder gutzumachen; so werden sie zu heilbringenden Taten der Demut angespornt. Die Wahrheit von der Gemeinschaft der Heiligen, welche die Gläubigen mit Christus und untereinander verbindet, sagt uns außerdem, wie sehr ein jeder den anderen – Lebenden wie Verstorbenen – dabei helfen kann, immer inniger mit dem Vater im Himmel verbunden zu sein.

 

Indem ich mich auf diese Lehraussagen stütze und den mütterlichen Sinn der Kirche deute, verfüge ich, dass alle Gläubigen, sofern sie angemessen vorbereitet sind, während des ganzen Jubiläumsjahres in den reichlichen Genuss des Ablassgeschenkes kommen können, wie es den dieser Bulle beigefügten Anweisungen entspricht (vgl. Dekret).“

Kontakt

J. Prof. Dr. T. Specker,
Prof. Dr. Christian W. Troll,

Kolleg Sankt Georgen
Offenbacher Landstr. 224
D-60599 Frankfurt
Mail: fragen[ät]antwortenanmuslime.com

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