Frage 210:
Was sind die Quäker? Ein Orden oder eine Konfession?
Antwort:
Der englische Schuster George Fox (1624-1691) gründete eine Religionsgemeinschaft, die sich zunächst selbst als »Kinder des Lichts« bzw. »Freunde in der Wahrheit« oder schlicht »Freunde« bezeichnete. Seit ca.1665 trägt die Bewegung den Namen Society of Friends (= »Gesellschaft der Freunde«). Die von den »Freunden« seit langem selbst verwendete, ursprünglich spöttisch gemeinte Bezeichnung Quaker bzw. Quäker (engl. to quake »beben«, »zittern«) geht darauf zurück, das die »Freunde« bei ihren Versammlungen vor religiöser Ergriffenheit »zitterten«.
Die Quäker haben ihre geistig-religiösen Wurzeln in verschiedenen abendländischen Geistesströmungen (u.a. Mystik des Mittelalters, die mystische Philosophie von Jakob Böhme (1575-1624) und Angelus Silesius (1624-1677), der linke Flügel der Reformation mit seinen spiritualistischen Vertretern. Dieses »Geistchristentum« mit seinem unverzichtbaren Beitrag für die Geschichte der Toleranz vertrat die Leitidee des »inneren Lichtes«.
Weil die Quäker die Staatskirche ablehnten, radikal-moralische Postulate vertraten (Ablehnung von Eid und Kriegsdienst), aber auch weil die Frömmigkeit einiger Glaubensanhänger immer ekstatischer und schwärmerischer wurde und sich chiliastischen Ideen öffnete, wurden die »Freunde« zum Teil grausam verfolgt. Unter Führung des Quäkers William Penn (1644-1718) suchten sie Schutz in den USA (Gründung des Staates »Pennsylvania«). Die dritte große Persönlichkeit des Quäkertums, Robert Barclay (1648-1690), gilt als der »Theologe« der Bewegung.
Das Quäkertum ist eine Religion ohne Sakramente (keine Taufe, kein Abendmahl). Das ganze Leben soll ein Sakrament sein und die Andacht eine Form der »Kommunion« ? ohne Geistliche (Ausnahme: USA, Kenia), ohne formulierte Bekenntnisse oder Glaubenssätze (»Religion ohne Dogma«). Die Lehren der gott-menschlichen Natur Jesu Christi und der Trinität werden abgelehnt, auch wenn einige Quäker sie bejahen. Wenn es für die Quäker überhaupt eine verbindliche Lehre gibt, dann den Glauben an das »Innere Licht« (Joh 1,9), an den »Christus in uns«, an das »innere Licht Christi«. Hauptmerkmal der Quäkerandachten ist die weitgehende Kult- und Formlosigkeit. Zentrum ist das »harrende Schweigen« (Gustav Mensching), die Suche nach innerer Verbundenheit mit Gott. Gott kann sich in jedem, der ihn aufrichtig sucht, unmittelbar offenbaren. »Wenn ein Gedanke oder ein Gebet oder die Erfahrung eines Bibelwortes einem Freund aus dem Schweigen zuwächst und zum Ausdruck drängt, spricht er in der Andacht. (…) In dem schlichten Rahmen der gemeinsamenstillen Andacht sprechen Brautleute ihr Treugelöbnis, empfehlen Eltern ihr Neugeborenes der Obhut der Gemeinde und wird der Verstorbenen gedacht«.
Getreu der alten Quäkerlosung »Lasst euer Leben sprechen!« betrachten die »Freunde« ihr ganzes Leben als Gottesdienst. Aus der Botschaft vom »Inneren Licht« resultieren praktische individual- und sozialethisch Grundsätze und Forderungen wie Wahrhaftigkeit, Ehrlichkeit, Anspruchslosigkeit. Quäker sind sozial sehr aktiv. Als eine der »historischen »Friedenskirchen« lehnen sie Gewaltanwendung ab, haben sich für die Abschaffung der Sklaverei, für die Gelichstellung der Frau, Gleichberechtigung der Rassen (unter anderem unter Berufung auf Gal 3,28) Reform des Strafvollzugs eingesetzt, verweigern aus Gewissensgründen den Kriegsdienst:
Nach den beiden Weltkriegen setzten sich die Quäker wirkungsvoll für die Behebung von Hunger und Elend bei den besiegten Völkern ein (»Quäker-Speisung für fünf Millionen deutsche Kinder). Quäker sind heute u. a. aktiv im Nahen Osten (Kinder- und Jugendarbeit in palästinensischen Flüchtlingslagern, Altenarbeit in Jerusalem), in Kenia (Landwirtschaftsprojekte), Nordirland, Somalia (Flüchtlingsprogramme) sowie in vielen anderen asiatischen und lateinamerikanischen Ländern. Weltweit gibt es etwa 200.000 Quäker (vor allem in den USA, Kenia, Großbritannien). Sie sind im Dachverband des Friends World Committee for Consultation (Weltkomitee der Freunde für gegenseitige Beratung) organisiert.“ (Mit Kürzungen kopiert von Udo Tworuschka, Lexikon. Die Religionen der Welt. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 1999, S. 254-255, art. ‚Religiöse Gesellschaft der Freunde‘.