Frage 22:
“Wenn Dreifaltigkeit die Natur Gottes ist, dann müssen auch die Wesenseigenschaften (bzw. Merkmale) des nach dem Bilde Gottes geschaffenen Menschen der dreifaltigen Natur Gottes ähnlich sein. Welches sind diese Wesenseigenschaften (bzw. Merkmale)? Mit anderen Worten: Was ist es, das den Menschen Gott ähnlich macht?”
Antwort:
Es lässt sich zeigen, dass das christliche Menschenbild, besonders das Personverständnis, ganz wesentlich von der trinitarischen Gottesoffenbarung her geprägt ist. Es ist eine alte Einsicht, dass das Verständnis, das der Mensch von sich selbst hat, aufs engste mit seinem Glauben und dem entsprechenden Gottesbild verknüpft ist. Der Mensch entdeckt, wer er ist, gewissermaßen, „auf dem Umweg“ über die jeweilige Erfahrung und Kenntnis vom Göttlichen. Der Theologe Emil Brunner schreibt: „Für jede Kultur, für jede Geschichtsperiode gilt der Satz: <Sage mir, was für einen Gott du hast, und ich will dir sagen, wie es um deine Menschlichkeit steht.>“
Gottesbild und Menschenbild spiegeln sich gegenseitig. So entdeckte das christliche Denken bald: Auch das Personsein des Menschen ist als Bild des göttlich-trinitarischen Personseins nicht nur und nicht vorrangig durch substantielles Ich-Sein oder auch In-sich-Sein geprägt, sondern wie bei Gott durch Beziehung: von anderen her – auf andere hin. Person im Vollsinn wird man durch gegenseitige freie Anerkennung, im Miteinander-Sein und Füreinander-Sein. Der andere gehört also wesentlich zum eigenen Personsein dazu. Im anderen und durch den anderen gewinne ich mich selbst, wird mein Leben erst reich, erfüllt und vollendet. Ja, vom trinitarischen Gott her zeigt sich, dass In-sich-Sein und Miteinander-Sein nicht Gegensätze sind und dass beides auch nicht im umgekehrten Verhältnis zueinander steht, wie man vielleicht spontan formulieren möchte: Je mehr ich Ich bin, um so weniger bin ich von anderen abhängig und auf andere hingeordnet; und je mehr ich von Beziehungen abhängig bin, um so weniger bin ich Ich! Nein, beides zeigt sich im Blick auf den drei-einen Gott als direkt proportional: Die Personen in Gott sind dadurch ja sie selbst, dass sie ganz und gar voneinander her und aufeinander hin sind und so die untrennbar eine Gottheit ausmachen. An ihr lässt sich ja „ablesen“, dass die Relation, das In-Beziehung-zum-anderen-Stehen, die höchste Form der Einheit ist. Und nach dieser Form der Einheit sehnen wir uns alle, nicht nach einer „Allerweltseinheit“, sondern nach einer Einheit, die sich in den gegenseitigen Beziehungen, und nach einer Unterschiedenheit, die sich in einem Beziehungsnetz, im einen gemeinsame Zusammenspiel vollzieht.