Frage 220:
Warum glauben die Katholiken, dass Jesus in der Eucharistie wirklich gegenwärtig sein soll? Und warum lehnen die Protestanten das ab?
Antwort:
Der Fragende lese erneut Kapitel 7 („Heilige Eucharistie“, traditionell auch „Heilige Messe“ genannt, besonders Teil III und IV oben auf dieser Webseite. Dann auch die Antwort auf Frage 20 in ‚Fragen und Antworten 1‘, ebenfalls oben auf dieser Webseite.
Wie in diesen Texten schon dargestellt, spricht Jesus beim letzten Mahl mit seinen Jüngern ein tief geheimnisvolles Wort: „Dies ist mein Leib, der für euch hingegeben wird“ ? „Dies ist der Kelch in meinem Blute, das für euch und für die vielen vergossen wird“. Der Theologe Otto Hermann Pesch schreibt dazu:
„Zunächst sagen uns diese Wort noch einmal: Die Hingabe Jesu in den Tod ist in dieser Mahlfeier, der Eucharistie (Dankes-)feier gegenwärtig, und diese Hingabe gilt zugleich dem Vater im Himmel und den Menschen. Deswegen nennt man auch seit langer Zeit die Messe „Das Opfer des neuen Bundes“. Denn wo früher das Opfer des Osterlammes stand, da steht jetzt die Hingabe Jesu an Gott für die Menschen. Im Unterschied zu den alten Opfern gilt die Hingabe Jesu aber ein für allemal, darum ist die Messe kein neues Opfer und auch keine Wiederholung des Kreuzesopfers, sondern die Vergegenwärtigung des einen, ein für allemal geschehenen Kreuzestodes Jesu, der als das Opfer des Neuen Bundes an die Stelle des Osterlammes und aller Opfer des Alten Bundes getreten ist.
Gegenwart Christi
Die Worte Jesu sind aber noch in anderer Hinsicht geheimnisvoll. Jesus setzt sich mit den Gaben gleich, die er den Jüngern reicht und zu seinem Gedächtnis zu reichen befiehlt. Denn „das ist mein Leib ? das ist mein Blut“: das bedeutet „das bin ich“. Wie soll man das verstehen? Die Geschichte kennt eine Fülle von Erklärungsversuchen. Kein einziger kann das Geheimnis dieser Worte ganz aufhellen, auch wir können es nicht. Aber wir können die Richtung angeben, in der wir uns die Gleichsetzung Jesu mit den Gaben oder, wie wir jetzt besser sagen: die Gegenwart Christi in den Gaben vorstellen können.
Eines ist klar: Es handelt sich nicht um irgendeine Zauberei. Weder verwandeln sich das Brot und der Wein äußerlich in Jesu Leib und Blut, noch ist Jesus seiner irdischen Gestalt nach irgendwie in Brot und Wein. So gesehen sind Brot und Wein in ihrer äußeren Gestalt ? Form Farbe, Geschmack, Bestandteile ? das Zeichen der Gegenwart Christi. Wie kann aber eine Person sich mit den Zeichen, die ihre Gegenwart bezeichnen, gleichsetzen? Denken wir uns einen Ehemann, der seiner Frau jedes Jahr am Hochzeitstag 25 Rosen schenkt, wie er sie bei der Vermählung geschenkt hat. Was würde das bedeuten? Der Mann würde damit seiner Frau sagen: In diesen Rosen steckt der Ausdruck derselben Liebe zu dir wie bei der Hochzeit. Diese Rosen sind meine Hingabe an dich, heute so wie damals. Mit diesem Vergleich sind wir ganz nahe am Geheimnis der Worte Jesu: Jesus ist nicht überall gegenwärtig, er ist persönlich gegenwärtig, unsichtbar, aber wirklich; es ist gegenwärtig durch seine Liebe; und diese Liebe ist dieselbe wie die, die ihn für uns in den Tod gehen ließ, ausgedrückt in denselben Gaben wie denen, die er damals im Abendmahl reichte.
Nur eines ist anders in dem Beispiel mit den Rosen, und hier scheitert unsere Vorstellungskraft: Auch das ausdrucksstärkste Zeichen, das Menschen sich ausdenken können, hebt den Unterschied zwischen dem Zeichen und dem, der es gibt, nicht auf. Die Rosen sind nicht der Mann.Vor allem aber: Der Mann könnte ja auch nur so tun als ob, er könnte Liebe heucheln ? menschliche Zeichen sind nie völlig zuverlässig. Beides fällt bei Jesus weg. Seine „Zeichen“ sind völlig zuverlässig. Heuchelei ist völlig ausgeschlossen. Und weil er nicht mehr unser Leben in Raum und Zeit teilt, kann er auch den Unterschied zwischen Zeichen und Person aufheben, er kann seine ganze Wirklichkeit unsichtbar in die Zeichen seiner Hingabe hineingeben. Das können wir uns in der Tat nicht mehr vorstellen, wir können es nur dem Worte Jesu glauben und in diesem Glauben uns seiner Nähre bei uns freuen.
Die Gegenwart Christi, der für uns in den Tod gegangen und von Gott auferweckt worden ist ? das ist […] die Nähe Gottes selbst, die unser Leben heil macht. Unser ganzer Glaube kommt also in der Messe zusammen. Wir hören die Botschaft (Lesungen), lernen sie in unser Leben zu stellen (Predigt), feiern das Gedächtnis jener Ereignisse, in denen Gott uns unwiderruflich nahegekommen ist, nämlich Tod und Auferstehung Jesu, erfahren seine Gegenwart im Empfang der Gaben, lassen uns an die Konsequenzen für unser Leben erinnern… Darum nennt die Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils die Messe „den Höhepunkt, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all unsere Kraft strömt“ (Artikel 10)“. Das meint nicht, wir müssten immer in Hochstimmung sein, wenn wir an der Messe teilnehmen. Es ist ein sachlicher „Höhepunkt“. Nirgendwo im Tun der Kirche und im christlichen Leben ist der ganze Glaube so unter allen Gesichtspunkten zusammengefasst, nirgendwo kann er sich so konzentriert auf sich selbst besinnen wie in der Messe.“ (Kleines katholisches Glaubensbuch [Topos Taschenbücher 539]. Kevelaar, 2009, S. 101-103.)
Zu den verschiedenen Infragestellungen der kirchlichen Lehre über die Gegenwart Christi in der Hl. Eucharistie schreibt der Katholische Erwachsenen-Katechismus:
„Im Lauf ihrer Geschichte musste die Kirche die wirkliche Gegenwart Jesu Christi in der Eucharistie mehrfach verteidigen und zugleich tiefer klären. Bereits im ersten und zweiten Abendmahlsstreit im 9. bzw. im 11. Jahrhundert hatte sich die Kirche gegen ein rein geistiges und rein symbolisches Verständnis der Eucharistie zur Wehr zu setzen. Auf der anderen Seite musste sie sich damals ebenso gegen ein grob-sinnliches Missverständnis abgrenzen, ähnlich wie es die Leute von Kafarnaum hatten, die meinten man könne in der Eucharistie Christus empfangen so wie man natürliches Brot isst. (vgl. Joh 6,52). Gegenüber beiden Missverständnissen lehrte das IV. Laterankonzil (1215) die Wesensverwandlung von Brot und Wein in der Eucharistie. In den Auseinandersetzungen mit den Reformatoren im 16. Jahrhundert mussten diese Fragen in neuer Weise wieder aufgegriffen werden. Luther hielt zwar gegenüber dem rein symbolischen Verständnis von Zwingli entschieden and der wirklichen Gegenwart von Leib und Blut Jesu Christi ‚in und unter Brot und Wein‘ (Großer Katechismus) fest. Aber er verwarf die katholische Lehre von der Wesensverwandlung wegen der damit verbundenen begrifflichen Probleme und wandte sich gegen die Fortdauer der Gegenwart Jesu Christi über die Abendmahlsfeier hinaus, weil das Abendmahl für den Gebrauch der Gemeinde eingesetzt sei. Calvin lehnte auch die Gegenwart in und unter Brot und Wein‘ ab und lehrte, der zum Himmel erhöhte Jesus Christus sei beim Empfang des Abendmahls durch den Heiligen Geist gegenwärtig, Erst in unserem Jahrhundert kam es zu einer gewissen Verständigung zwischen Lutheranern und Reformatoren und zu einer gegenseitigen Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft (Leuenberger Konkordie). Eine ökumenische Annäherung, aber noch keine volle Übereinstimmung, wurde auch zwischen der lutherischen und der katholischen Lehre erreicht. (Das Herrenmahl; in einem größeren ökumenischen Kontext: das Lima-Dokument). Vor allem in der Frage der fortdauernden Gegenwart Jesu Christi aber besteht noch kein Konsens“ (Katholischer Erwachsenen-Katechismus, Bd. 1, S. 349).