Frage 228:
Gott, so lehren Christentum und Islam, ist allmächtig und über alles erhaben. Trotzdem zeigt er sich den Menschen nicht, obwohl er doch alle Fragen bezüglich des Glaubens mit einem Schlag lösen könnte. Ist er scheu?
Antwort:
Der Allmächtige und über alles erhabene Gott des christlichen und islamischen Glaubens bleibt für uns immer undurchschaubar. „Er ist letztlich nicht zu begreifen. Das geben die meisten Menschen gern zu. Aber merkwürdig: Wenn ihr Denken dann an eine solche Grenze stößt, werden viel nervös. Dann sagen sie wohl: Ich kann Gott nicht verstehen, wie soll ich das alles zusammenreimen, ich kann nicht mehr an Gott glauben! […] Das sind Trugschlüsse, die einen nicht weiterbringen. Es ist genau umgekehrt: Wenn einer so von Gott reden würde, als ob alles einfach wäre und problemlos aufgehen würde, dann hätte er uns Gott bestimmt falsch dargestellt. Alles, was wir über ihn sagen können, triff immer nur ein bisschen zu. Er bleibt für uns immer ein undurchdringliches Geheimnis.“
Auf solches Sprechen trifft nicht selten der Protest: „Was nützt mir ein Gott, der so weit weg und nicht zu begreifen ist! Ich möchte ihn nicht nur ahnen, ich möchte mit ihm sprechen, ihn lieben, in ihm geborgen sein!“ Der Autor Winfried Henze schreibt dazu aus seiner eigenen Erfahrung: „Ich habe beides schon erlebt. Dass Gott mir fern und unbegreiflich schien ? und dann auch wieder, dass ich ihn ganz nahe fühlte. Fern war er mir, wenn ich mit klugen Gedanken an ihn heranwollte, wenn ich grübelte und Probleme wälzte. Nahe war er mir, wenn ich daran dachte, wie er selber Menschen angesprochen hat. Ich spürte: So wie er damals – zum Beispiel -- Abraham gerufen hat, so ruft er jetzt mich. Manchmal lese ich in der Bibel, dann packt es mich immer wieder: Gott bleibt nicht fern. Er spricht uns an. Er kommt uns nahe. Wir können ihn erleben.“
Gott hat also Abraham gerufen. Der hat sein Haus und seinen reichen Besitz verlassen und ist in die Wüste gewandert. Er hat sich Gott ausgeliefert. Nur Gott war seine Hoffnung und Sicherheit. Er glaubte.
Die Bibel erzählt so etwas von vielen Menschen. Sie haben geglaubt, und das heißt: Sie haben sich Gott in die Arme geworfen. So haben sie seine Größe und seine Liebe gespürt und erfahren. […]
Deshalb lohnt es sich, in der Bibel zu lesen. Sie erzählt, wie Gott sich den Menschen mitteilt, wie er sich ‚offenbart‘. Keiner war ihm so nahe wie Jesus, sein Sohn. Er hat uns Gott ganz nahe gebracht. Wenn all dies, was uns die Bibel erzählt, nie geschehen wäre ? ich glaube, dann würde es sich gar nicht lohnen, von Gott zu reden. Dann bleibe er uns immer fern. Gott sei Dank hat er es selber anders gewollt. Er bleibt der Unendliche, der ‚ganz Andere‘, aber er kommt uns nahe. Er hat selber das Geheimnis aufgerissen“ (Vgl. W. Henze, Gott ist schön. Ein katholsicher Familien-Katechismus. Harsum, 2001, S. 21-22).