Frage 245:
„Hallo. Es gibt einige Untersuchungen darüber, dass der Prophet Muhammad nie gelebt hat. Was denken sie darüber?“
Antwort:
In der Tat befindet sich die Aufarbeitung der historischen Muhammad-Frage in vollem Gang. Joachim Gnilka hat den Stand der Diskussionen in seinem kürzlich erschienenen Werk: „Wer waren Jesus und Muhammad? Ihr Leben im Vergleich“ (Freiburg: Herder, 2011) sachlich dargestellt. Er schreibt: „Den Außenstehenden, der sich dieser Frage nähert, befällt Ratlosigkeit. Wir erleben in der Bearbeitung der historischen Muhammad-Kritik so etwas Ähnliches wie in der Leben-Jesu Forschung im 19. Jahrhundert. Die Positionen könnten divergierender nicht sein. Man hält einerseits an den alten Traditionen fest. Dies dürfte die Position der überwiegenden Mehrheit der islamischen Muhammad-Forscher, aber auch einiger westlicher Islamologen sein. Die extrem gegenseitige Position ist die Infragestellung der historischen Existenz Muhammads, die in verschiedenen Formen vorliegt. Dazwischen liegen andere Positionen.“ (S. 246) Als ein Beispiel für „die Position der Bestreitung der Existenz Muhammads“ sei die von Karl-Heinz Ohlig angeführt. Nach ihm „liegen die Anfänge des Islam in Ostmesopotamien. Sie sind verbunden mit einem aramäisch sprechenden Verkünder, dessen Namen wir nicht kennen. Auf ihn folgt ein »arabischer« Prophet. Auch sein Name ist unbekannt. Beherrschend ist im syrischen Raum noch das Christentum vornizänischer Prägung – das heißt, Ablehnung des Ersten Konzils von Nikaia [im Jahr 325], das die Gottgleichheit Christi verkündet hatte. Der Kalif Abd al-Malik, der den Felsendom in Jerusalem erbaute und Münzen prägen ließ, war laut Ohlig noch ein Christ dieser Prägung. Wenn seine Inschriften und Münzprägungen den Namen Muhammad tragen, sei damit nicht der islamische Prophet gemeint, sondern Jesus. Muhammad sei nicht als Eigenname aufzufassen, sondern im Sinn von »der zu Lobende« zu verstehen. Wenn ab der zweiten Hälfte des achten Jahrhunderts – nach der Verschmelzung der arabischen und der christlichen Traditionen zu einer neuen Religion -- »Muhammad« auf eine Propheten, den Gründer des Islam bezogen werde, sei das eine Fiktion ((vgl. Ohlig (Hrsg.), Der frühe Islam. Berlin 2007, S. 327-361). Dieser habe nie existiert.“ (Gnilka, S. 246f.)
In Bezug auf dieses Interpretationsmodell im Sinn der Leugnung der Existenz des Propheten Muhammad bemerkt Tilman Nagel kritisch: „Die Eliminierung Mohammads aus der Weltgeschichte wirft mithin eher Fragen auf, als sie zu lösen vorgibt… Es bleibt im Übrigen die viel schwieriger zu beantwortende Frage, wie der zuvor aus der Weltgeschichte ausgestoßene Muhammad dann schließlich doch als ein Schemen von ausgesprochener Wirkungsmächtigkeit in sie hineinkommt.«. Und weiter: Es bedürfe doch einer näheren Ergründung und Begründung, wenn man die Meinung vertritt, »es hätten sich einige Leute zusammengesetzt und gut einhundertundfünfzig Jahre Vergangenheit mit tausenden von handelnden Personen mit widereinander streitenden religiösen und politischen Strömungen, mit unterschiedlichen Auslegungen ein und desselben Ereignisses usw. zusammenfabuliert.« (siehe Tilman Nagel, „Muhammad. Leben und Legende“. München 2008, S. 719 und 839). Ich schließe mich der Meinung Nagels an.