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Frage 260:

Es wird gesagt, dass Jesus gegen Privateigentum und gegen Geld war. Er hatte das Christentum lediglich für die Armen geöffnet, die Frauen für gleichberechtigt erklärt und man sagt ihm nach, dass er Reformer seiner Zeit war. Als Beleg werden folgende Aussagen angeführt: Im Neuen Testament (indschīl) würde stehen, dass er Prophet der Frauen und der Sklaven sei. Er habe gesagt, es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht als ein Reicher in das Himmelreich kommt. Die ersten Worte der Heiligen: Er hat bei seiner Versuchung in der Wüste das Angebot des Satans zurückgewiesen (Der Teufel bietet ihm Reichtum und Ruhm, somit werden diese Dinge mit dem Teufel in Verbindung gebracht). Es wird sogar als Bespiel angeführt, dass Jesus den Teufel als Herrscher dieser Welt bezeichnet habe und er sich von den Gütern dieser getrennt hatte. Was denken Sie darüber?

In diesem Zusammenhang stelle ich noch eine Frage: Die katholische Kirche verwendet goldene Accessoires (obwohl in der Welt so viele Armen gibt). Was denken Sie gleichfalls darüber, dass die Kirche mehrheitlich politisch mit den rechten Flügeln (Nationalismus, an der Seite des Kapitals, patriarchale politische Strömungen) in Verbindung gebracht wird? Wir lesen im Neuen Testament, dass Jesus sagte „Ihr habt das Haus meines Vaters zu einem Kaufhaus gemacht!“ und die Händler aus dem Tempel trieb. Wir lesen auch, dass die katholische Kirche ein enormes Kapital überwacht. Wie lassen sich diese Dinge miteinander vereinbaren?

 

Antwort:

Man muss hier den grundlegenden Text, “Lumen Gentium” Nr. 8, wörtlich zitieren, denn dort ist ausdrücklich die grundlegende Bedeutung der Rolle der Armen innerhalb des Mysteriums der Kirche aufgezeigt:

“Wie aber Christus das Werk der Erlösung in Armut und Verfolgung vollbrachte, so ist auch die Kirche berufen, den gleichen Weg einzuschlagen, um die Heilsfrucht den Menschen mitzuteilen. ‘Christus Jesus hat, obwohl er doch in Gottesgestalt war, … sich selbst entäußert und Knechtsgestalt angenommen’ (Phil 2,6); um unseretwillen ist er arm geworden, obwohl er doch reich war (2 Kor 8,9). So ist die Kirche, auch wenn sie zur Erfüllung ihrer Sendung menschlicher Mittel bedarf, nicht gegründet, um irdische Herrlichkeit zu suchen, sondern um Demut und Selbstverleugnung auch durch ihr Beispiel auszubreiten. Christus wurde vom Vater gesandt, den Armen frohe Botschaft zu bringen, zu heilen, die bedrückten Herzens sind (Lk 4,18), zu suchen und zu retten, was verloren war (Lk 19,10). In ähnlicher Weise umgibt die Kirche alle mit ihrer Liebe, die von menschlicher Schwachheit angefochten sind, ja in den Armen und Leidenden erkennt sie das Bild dessen, der sie gegründet hat und selbst ein Armer und Leidender war. Sie müht sich, deren Not zu erleichtern, und sucht Christus in ihnen zu dienen.”

[...] Dieses Mysterium [ i.e. der Kirche] drückt sich in zwei Bereichen aus, die in dem Text ausdrücklich unterschieden werden: Einerseits wird die Kirche über alle Versuchung zur Macht hinaus zu einer gelebten Armut als Zeugnis für die Armut Christi verpflichtet; hier wird die “Kirche als arme” angesprochen. Andererseits muss die erste Sorge der Kirche den Armen gelten, denen sie die Frohe Botschaft der Befreiung durch den Messias verkünden muss. “Ich bin gekommen, um zu dienen, nicht um mich bedienen zu lassen”: Die Kirche muss Dienst sein und nicht in erster Linie Macht.

Im Verlauf der beiden letzten Sitzungsperioden des Konzils sollte, insbesondere auch für die Redaktion der zweiten Konstitution über “Die Kirche in der Welt von heute” die immer wirksamere Teilnahme der Bischöfe der armen Länder, der Dritten Welt, wie man sie nennt, eine immer größere Rolle spielen, um diese mystische Sicht zu vertiefen und deren konkrete Forderungen deutlich zu machen.“

aus: Marie-Dominique Chenu, “Kirche der Armen” auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil, in: Concilium 13 (1977), Heft 4, Seiten 232-235. (s. www.pro-konzil.de (geöffnet am 2. 6. 2013)

Der Aufruf an jedem Christen und an die Gemeinschaft der Kirche als Ganzer, dem vom Zweiten Vatikanischen Konzil erneut angemahnten Ideal zu folgen, will stets neu gehört und befolgt werden. In der Tat ist die Anhänglichkeit in Reichtum und Macht seit eh und jeh das größte Hinderniss für das Kommen des Reiches Gottes.

„Nach dem großen Benedikt XVI. hat die Kirche mit Papst Franziskus einen neuen Steuermann bekommen, der mutig und kraftvoll agiert. Aber manche Ortskirchen zögern noch, in die Begleitboote einzusteigen. Es liegt eine eigenartige Flaute über dem Land.

 

Der neue Papst bringt Eigenschaften mit, die ihm das Herz der Menschen guten Willens öffnen: Er geht unkonventionell und mit Herzlichkeit auf sie zu, verkörpert glaubwürdig die Option der Kirche für die Armen. Er liebt wie Franziskus die Schöpfung. Es geht Hoffnung von ihm aus.

Seine Wahl hat die Gegner der Kirche etwas aus dem Tritt gebracht. Das wird nicht so bleiben. Denn das Stück, das auf der Weltbühne gespielt wird, ist das zwischen Gott und dem Widersacher und es ist nicht anzunehmen, dass sich dieser durch die Wahl des Papstes Franziskus bekehrt hat.

 

Papst Franziskus hat seiner Kirche die Befreiung von allem Ballast, die ihrer Hauptaufgabe Verkündigung des Evangeliums im Wege stehen, also Entweltlichung, verordnet. Die Kirche soll im apostolischen Eifer auf die Menschen zugehen und nicht egozentrisch um sich kreisen.

 

Die andere Zielvorgabe von Papst Franziskus ist die Option für die Armen. Was heißt das und was bedeutet sie für die Ortskirche für Deutschland?

 

Armut bedeutet Mangel, ein Defizit an Lebensnotwendigem. Sie kann ein Mangel an materiellen und an geistlichen Gütern sein. Natürlich gibt es auch bei uns [ der Autor hat in seinem Beitrag vor allem die Christen Europas im Blick] materielle Armut, um die sich der Sozialstaat, karitative Einrichtungen und Gott sei Dank auch Selbsthilfeeinrichtungen kümmern.

 

Aber unvergleichlich größer ist die geistliche Not: Der Mangel an Gespür für den Lebensschutz gegenüber Ungeborenen, Behinderten und auf Hilfe angewiesenen Alten. Weit verbreitet ist die geistliche Not derer, die ohne Lebenssinn existieren, weil sie Gott nicht mehr kennen. Als Kinder haben sie ihn bei ihren Eltern nicht kennen gelernt. In der Schule haben sie etwas über Religionen, aber nicht Gott erfahren. Danach sind sie aus der Kirche wie aus ihrem Elternhaus ausgezogen. Jetzt sind sie allenfalls noch kirchliche Randexistenzen.

 

Ist diese gesellschaftlich-religiöse Armut das große Thema der Bischofskonferenzen, der Laienorganisationen, der katholischen Verbände und der Pfarreien?

 

Wenn die Ortskirche die geistlich-religiöse Armut, für die sie zuständig ist, nicht aufgreift, werden die alten angestaubten Themen, vom Zölibat bis zum Frauenpriestertum etc. etc. bald wieder in den Vordergrund treten, weil die Verfechter ja nicht dorthin gehen, wo sie das alles hätten was sie wollen. Denn sie wissen genau, dass sie dann zugleich die Fleischtöpfe verlieren und in der Bedeutungslosigkeit enden würden.

 

Natürlich braucht die Kirche im Sinne des „Ecclesia semper reformanda“, d.h. der Kirche, die sich immer erneuern muss Reformen. Aber diese müssen geistlicher Natur sein, so wie Franz von Assisi sich zuerst selber bekehrt hat und durch sein Beispiel die Kirche von innen reformiert hat.

 

Mit der Wahl von Papst Franziskus hat auch die Ortskirche erneut eine Chance bekommen. Wenn sie sich dazu aufrafft, kann der Glaube auch im alten Kontinent wieder aufblühen.

 

Ist das nicht der Fall, wandert das Kraftzentrum der Weltkirche weiter in Richtung der Südhalbkugel der Erde ab. Das wäre aber keine schicksalhaft vorgegebene oder von Gott gewollte Entwicklung.

 

Denn Umkehr ist auch heute möglich.“

 

Professor Hubert Gindert gründete am 30. September 2000 zusammen mit anderen Persönlichkeiten das „Forum Deutscher Katholiken“ und leitet es seither als erster Vorsitzender. (http://kath.net/news/40972 , geöffnet am 2.6. 2013)

Kontakt

J. Prof. Dr. T. Specker,
Prof. Dr. Christian W. Troll,

Kolleg Sankt Georgen
Offenbacher Landstr. 224
D-60599 Frankfurt
Mail: fragen[ät]antwortenanmuslime.com

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