Frage 281:
Der Koran wirft uns Christen vor, wir hätten Bibeltexte verändert.
Ich betrachte diesen Vorwurf bezüglich der zweiten Hälfte von Röm 7 als berechtigt.
In Römer 7:13 dürfte im griechischen "Originaltext" zwischen αμαρτια und δια also zwischen „Sünde“ und „durch“ kein Komma stehen, weil es Satzzeichen damals noch nicht gab und αμαρτωλον heißt nicht Sünde sondern Sünder oder Sündigender. Beachtet man dies, dann steht dort: "Ist dann etwa das Gute mein Tod geworden? Keineswegs! sondern die Sünde wird ersichtlich Sünde durch das Gute. Mein Tun wird tödlich, wie das des maßlos Sündigenden, durch die Sünde gegen das Gebot." Die Verse 15-17 lauten zusammenhängend gelesen (das ist möglich, weil die Verseinteilung erst im 16. Jahrhundert vorgenommen worden ist) "Wenn ich mein (anerzogenes gesetzliches) Handeln nicht begreife, will ich es nicht befolge, sondern hasse dieses Tun, wenn ich aber tue, was ich nicht will, erkenne ich an, dass das Gesetz gut ist, wenn ich es nicht mehr befolge, dann wohnt in mir die Sünde." Und 19:20 lautet, (zusammenhängend gelesen): "Nicht, wenn ich das Gute (das göttliche Gesetz) tun oder nichts Böses tun will, sondern wenn ich nicht danach handeln will, es nicht mehr befolge, dann wohnt in mir die Sünde." So übersetzt weisen aber die oben angeführten Texte nicht mehr auf einen Zustand der allgemeinen Heillosigkeit hin und können deshalb die Erbsünde nicht mehr begründen.
Antwort:
Die katholische Dogmatik begründet die Erbsünde traditionell mit Römer 5:12. Die dabei zugrunde gelegte Übersetzung ist die alte Vulgatafassung: in quo omnes peccaverunt … „in der alle gesündigt haben“ ist dort entweder auf den „einen Menschen“ = Adam, oder auf „die Sünde“ = peccatum bezogen. Römer 7 wird in lehramtlichen Texten gewöhnlich nicht verwendet, nur in bestimmten Auslegungstraditionen. Tatsächlich ist die syntaktische Beziehung im Vulgatatext von Römer 5:12 im Griechischen Original nicht wahrscheinlich (wenn auch nicht ganz unmöglich), denn das Griechische eph‘ hô legt am ehesten die Beziehung auf ho thanatos nahe: „der Tod, auf den folgend alle gesündigt haben“; dies ist bei dem lateinischen in quo (masc. oder neutr.) mit mors (fem.) nicht möglich. Mit dem Bezug auf ho thanatos wird Römer 5:12 auch in den meisten modernen Erklärungen verstanden. Allerdings ist die Erbsünde sachlich durchaus in der paulinischen Argumentation enthalten, denn Paulus versteht die biblischen Urerzählungen nicht historisch als Erzählung über Adam, sondern wenn die Bibel von ha-Adam oder im Griechischen ho anthrôpos spricht, versteht Paulus dies gewöhnlich korporativ als Erzählung über „den Menschen“. So versteht es Paulus auch wenn die Bibel in Genesis 3 über „den Menschen“ erzählt. Genau dies ist aber auch das moderne Verständnis der Erbsünde: Damit ist eine Sünde gemeint, die den Menschen dauerhaft und vormoralisch, d. h. ohne eigene individuelle und persönliche Schuld von Gott trennt.