Frage 55:
Wie sehen die Juden die Geburt Jesu? Wenn er als ein uneheliches Kind gilt, warum wurde dann Maria nicht gesteinigt und mit Kind und Kegel aus dem Tempel hinausgeworfen? Warum hat dann dieser Jesus als Erwachsener ein so hohes Ansehen bei den Pharisäern genossen, dass er im Tempel lehren und zu tausenden Menschen sprechen konnte und von den Menschen als Rabbi/Meister angesprochen wurde? Hat er seine wahre Identität versteckt? Erkannte man ihn nicht wieder? Wie erklärt man diese Fragen anhand der vorhandenen Evangelien?
Antwort:
Es gibt eine vielfältige, in keiner Weise einheitliche Auffassung und Darstellung von Jesus von Nazareth in den rabbinischen Quellen und dann eine Vielzahl von jüdischen Darstellungen jüngeren Datums. Eine kurze Übersicht findet sich in dem Beitrag: Jesus Christus 1. Jüdisch im Lexikon religiöser Grundbegriffe: Judentum, Christentum, Islam hg. Von Adel Th. Khoury (Graz, Wien, Köln: Styria, 1987), Spalte 528-531. Tendenziöse Darstellungen in den rabbinischen Quellen behaupten in der Tat, Jesus sei der Bastard einer Ehebrecherin gewesen (Traktat Kallah 51a, und vierzig Tage vor seiner Kreuzigung habe ein Ausrufer den Grund seiner Verurteilung öffentlich verkündet, damit er durch eine Zeugenaussage entlastet würde: „Aber man fand ihm keinen Freispruch“ (b Sanhedrin 43a). Eine unter vielen anderen sachlichen zeitgenössischen Darstellungen des Lebens und der Lehre Jesu aus jüdischer Feder ist das Werk von Pinchas Lapide, Der Rabbi von Nazareth, 1974.