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Frage 72:

Stellt man die Mutter Jesu nicht Gott an die Seite, wenn man an sie Gebete richtet?

 

Antwort:

Ich beantworte die beiden Fragen und damit zusammenhängende mögliche weitere Fragen, indem ich über (1) Maria im Zeugnis der Bibel spreche, dann speziell über (2) die Bedeutung des Titels Marias im christlichen Glauben: „Mutter Gottes“ und schließlich über (3) die „neuen“ Dogmen der Kirche über Maria.

 

1. Maria im Zeugnis der Bibel

 

Nicht Maria steht im Mittelpunkt des Neuen Testaments, sondern Jesus Christus. Maria aber ist seine Mutter. Deshalb ist von ihr die Rede. Nicht in Form einer Lebensbeschreibung, gewiss nicht. Was die Bibel über Maria schreibt, ist weit mehr: Es wird dargestellt, was sie für das Heil des Gottesvolkes bedeutet. Maria wird in den großen Zusammenhang des göttlichen Wirkens gestellt, das uns schon im Alten Testament begegnet. Damit ist Folgendes gemeint:

 

Frauen retten das Volk Gottes. Manchmal sind es Heldinnen (Debora, Judith, Esther), manchmal Mütter, die einem Großen des Volkes das Leben schenken (Sara, Rebekka, Hanna). Mit Maria kommt diese biblische Linie zum Gipfel. Sie schenkt dem Messias, dem Gottessohn das Leben. Sie bringt den Glauben ihrer Väter (Abraham!) zur Vollendung. So ist sie selber die „Tochter Zion“, die Verkörperung des Gottesvolkes. In ihrem großen Danklied „Magnificat“ (Lukas 1,46-55) reiht sie sich ein in die Geschichte Israels, spricht sie selber als Prophetin wie die großen Gottesverkünder des Alten Bundes: Dem Herrn allein gehört die Ehre, irdische Macht und irdischer Reichtum bedeuten vor ihm gar nichts! Diesen Grundsatz hat sie in ihrem Leben verwirklicht. Sie lebt ganz für ihren göttlichen Sohn. Sie tritt in den Hintergrund in den Tagen seiner großen Erfolge, aber unter dem Kreuz ist sie bei ihm. Suchend und fragend geht sie ihren Weg, sie „erwägt alles in ihrem Herzen“ (Lukas 2,19), durchlebt auch Unsicherheit und Enttäuschung, sie ist die Schmerzensmutter. Von alldem erzählt die Bibel.

 

Marias ungeteilte Liebe gehört Gott, ohne jeden Vorbehalt widmet sie ihr Leben dem unbegreiflichen hohen Auftrag, der ihr gegeben worden ist. Darum bleibt sie jungfräulich, will nur noch eines sein, die „Magd des Herrn“ – wie sie es Gott zugesagt hatte (Lukas 1,38).

 

Der Evangelische Erwachsenenkatechismus fasst zusammen, was die Bibel über Maria sagt: „Sie wird als die beispielhafte Hörerin des Wortes Gottes gezeichnet, als die Magd des Herrn, die Ja zu Gottes Willen sagt, als die Begnadete, die aus sich selbst nichts, durch Gottes Gnade aber alles ist. So ist Maria das Urbild der Menschen, die sich von Gott öffnen und beschenken lassen, der Gemeinschaft der Glaubenden, der Kirche.“ Maria gehört ins Evangelium. Ohne sie würde im Heilswirken Gottes etwas Wesentliches fehlen.

 

So wird verständlich, warum die Christen Maria verehren. Es gibt nur einen, der uns Heil geschenkt hat: Jesus. Aber ist es nicht bedeutungsvoll, dass es eine Frau war, die dieses Heil für uns alle empfangen hat? Sie hat zum Engel gesagt: „Mir geschehe nach deinem Wort!“ – uns so ist sie Mutter des Erlösers geworden. Es war das Ja-Wort der Menschheit gegenüber Gott.

 

2. Maria, die „Mutter Gottes“

 

Das Glaubensbekenntnis sagt „…geboren von der Jungfrau Maria“, und damit fasst es zusammen, was uns in der Bibel erzählt wird. Die Weihnachtsgeschichte sagt uns sehr anschaulich, dass Maria Jesus, ihr Kind, wie jede andere Mutter in ihrem Leib getragen und dann für uns geboren hat. Sie ist seine Mutter. Mutter in einem noch tieferen Sinn als gewöhnlich: Ehe sie den Sohn Gottes empfing, hatte sie ihn im Glauben angenommen…

 

Zuerst hat ja Maria die Botschaft des Engels nicht voll verstanden: „Wie soll das geschehen?“ fragt sie, denn sie lebt ja mit keinem Mann zusammen. Und der Engel antwortet: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten!“ Hier benutzt die Bibel Ausdrücke, die an das Alte Testament erinnern: Gott selber „überschattete“ Israel in einer Wolke und „nahm Wohnung“ im heiligen Zelt. Mit der Wahl solcher Worte sagt die Bibel: Maria ist die Wohnung Gottes, durch sie kommt Gott zu uns.

 

„Das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist“, heißt es im Matthäusevangelium (1,20). So lehrt die Kirche: Maria hat ihr Kind jungfräulich empfangen, ohne Zutun eines Mannes. Manche sehen darin ein großes Problem. Aber warum soll Gott nicht in ungewöhnlicher Weise eingreifen, wenn sein eigener Sohn Mensch wird? Gerade die jungfräuliche Empfängnis macht klar, dass der neue Anfang, der durch Jesus geschieht, ganz allein von Gott herkommt!

 

Das alles aber kann nur geschehen, weil Maria glaubt und zustimmt. So wird sie die Mutter Gottes. Im Jahre 431 hat das Konzil von Ephesus diesen Titel für sie festgelegt, auch Luther und die andere Reformatoren haben daran festgehalten. Natürlich hat sie nicht Gott „als Gott“ geboren, denn sie ist ja ein Geschöpf wie wir. Sie hat den Menschen Jesus geboren, dieser aber ist Gott und Mensch in einer Person. Glaubt man an Christus, den Sohn Gottes, so muss man auch Maria als Gottesmutter verehren.

 

So ist Maria dann auch unsere Mutter, denn wir Christen sind eins in Christus, sind Glieder an seinem Leib. Ihre Liebe gilt dem ganzen Christus, also auch uns. Wir können sie anrufen als unsere Fürsprecherin, unsere Mutter, unsere Hoffnung. Alle unsere Nöte können wir ihr vortragen. So etwas tun wir ja auch untereinander. Da wir alle zu Christus gehören und in ihm eins sind, fordern wir uns gegenseitig zur Fürbitte auf: Bete für mich! Erst recht gilt dieser Ruf der Muttergottes, die von uns allen dem Herrn am nächsten steht.

 

Selbstverständlich darf Maria nicht angebetet werden. Anbeten darf und muss man Gott allein. Aber anrufen dürfen wir sie, ohne die einzigartige Stellung Jesu Christi anzutasten, denn auch ihre Fürbitte schöpft ihre Kraft allein aus der Erlösung, die Gott in Jesus bewirkt hat. Wer Maria anruft und verehrt, bekennt sich dadurch zu dem einzigen Mittler und Sohn Gottes, zu Jesus Christus.

 

Von Maria sollte man nicht immer nur theoretisch reden. Man sollte sie einfach lieb haben. Erst dann geht einem auf, was sie nicht nur für die Christenheit, sondern für alle Menschen bedeutet. Sie ist Gottes Mutter und somit unsere, ja, aller Menschen, Mutter.

 

3. Die „neuen“ Dogmen über Maria

 

Wieso werden in unserer Zeit, 2000 Jahre nach Jesus, noch neue Glaubenslehren aufgestellt? Wieso kann der Papst noch 1854 den Glaubenssatz von der Unbefleckten Empfängnis verkünden, wieso erst 1950 erklären, dass Maria mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen ist?

 

Berechtigte Fragen! Jawohl, es ist längst alles gesagt, was Gott uns mitzuteilen hat. Über Jesu Botschaft, weitergegeben in der Lehre der Apostel, kann nichts mehr hinausführen. Das Ganze liegt vor uns. Aber es liegt vor uns wie ein noch unerschlossenes Land. Wir müssen es durchforschen. Von Anfang an hat die die Kirche versucht, tiefer in die Geheimnisse des Glaubens einzudringen, neue Erkenntnisse und Zusammenhänge zu finden.

 

Das sei mit einem Vergleich erläutert: Wir wollen ein Dia projizieren, das Bild erscheint auf der Leinwand. Aber es ist noch unscharf. Man kann schon die Hauptsache erkennen, aber etliches ist noch undeutlich. Jetzt drehen wir langsam die Linse schärfer. Neue Einzelheiten treten hervor. Sie waren gewiss vorher schon da, aber erst jetzt können sie erkannt werden. So ist es auch mit dem Glauben. Im Denken und Beten der Kirche wird im Lauf der Jahrhunderte die „Linse“ des Glaubens immer schärfer gestellt. Bis zum Ende der Zeiten werden wir nicht damit fertig sein, den Reichtum des Glaubens zu entdecken.

Noch eines wird mit diesem Vergleich klar: Die Einzelheit wird nur deutlich innerhalb des Gesamtbildes. Für sich allein würde man sie gar nicht sehen oder ganz falsch verstehen. So ist es auch mit den beiden Marien-Dogmen. Sie ergeben sich aus dem Gesamtbild des Glaubens, nicht aus einzelnen Sätzen der Bibel. Also:

 

Maria ist Urbild des von Gott beschenkten Menschen, in ihr kommt die Erwählung des Volkes Israel zur Vollendung. Sie war von Gott bestimmt, uns Christus zu bringen, das Licht, das Leben, die Gnade Gottes in Fülle. Deshalb sollte sie auch selbst „voll der Gnade“ (Lukas 1,28) sein. Was das bedeutet, hat die Kirche nach einem Jahrhunderte langen Klärungsprozess 1854 ausdrücklich zum Glaubenssatz erhoben.: Maria ist vom ersten Augenblick ihres Lebens, also von ihrer Empfängnis an, frei von Gottfremdheit und Dunkelheit, erfüllt von seinem Licht, ohne Ursünde. Was uns Jesus am Kreuz verdient hat, was uns in der Taufe geschenkt wird, ist auf sie schon am Lebensanfang angewendet worden, weil sie seine Mutter werden sollte.

 

Gerade über dieses Dogma wird viel Unsinniges geredet. Manche verwechseln hier die Empfängnis Mariens mit der Christi. Sie sollten einmal das Kirchenjahr studieren: Mariä Unbefleckte Empfängnis wird am 8. Dezember gefeiert, genau neun Monate vor dem Fest Mariä Geburt (8. September). Was diese Leute meinen, ist die Empfängnis des Herrn, die am Fest Verkündigung des Herrn gefeiert wird, neun Monate vor Weihnachten…

 

Ganz falsch ist die Meinung, die Kirche halte die Sexualität für etwas Befleckendes. Nicht wegen der menschlichen Zeugung und Empfängnis beginnen wir alle unser Leben als „Befleckte“, sondern weil wir Teil der dunklen, von Gott abgewandten Welt sind. Das ist Maria nie gewesen. Sie stand vom ersten Augeblick ihres Lebens an im Lichte Gottes. Dass Maria mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen ist, ergibt sich aus ihrer unvergleichlich engen Verbundenheit mit Christus. Was uns allen einmal am Ende der Zeiten gegeben wird, die „Auferstehung des Fleisches“, ist an ihr bereits vollzogen, wie sie seine Mutter ist. Gerade diese Lehre ist in unserer Zeit wichtig, weil der Leib so furchtbar entwürdigt wird: durch Kriege, durch Rauschgift, durch Pornographie – und dabei ist er für Gottes Herrlichkeit bestimmt.

 

In Maria wird uns immer unsere eigene Würde und Hoffnung gezeigt. An ihr erkennen wir, was Gott an uns Großes tun will. Wer das einmal begriffen hat, wird auf die Mareinverehrung nie mehr verzichten.

(Mit leichten Abänderungen wiedergegeben aus: Winfried Henze, Glauben ist schön. Ein katholischer Familienkatechismus. Harsum: Druckhaus Köhler, 2001. ISBN 3-7698-0887-8., S. 69-76)

 

Text des Magnifikat (Lukas 1,46 -49):

„Meine Seele preist die Größe des Herrn

und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.

Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut.

Siehe von nun an preisen mich selig alle Geschlechter!

Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, uns sein Name ist heilig.“

 

Gegrüßet seist du, Maria,

voll der Gnade,

der Herr ist mit dir,

Du bist gebenedeit

unter den Frauen,

und gebenedeit ist die Frucht

deines Leibes, Jesus.

Heilige Maria, Mutter Gottes,

bitte für uns Sünder

jetzt und in der Stunde

unseres Todes!

Amen.

 

„Wir müssen uns bemühen, Jesus so zu lieben, wie ihn seine heilige Mutter geliebt hat. Sie steht Gott am nächsten. Wenn wir uns ihr nähern, nähern wir uns damit Gott selbst.“

(Maximilan Kolbe (1894 -1941), polnischer Franziskanerpater, Organisator der katholischen presse in Polen und Japan., opferte im KZ Auschwitz sein Leben für einen junge Familienvater, der als Geisel hingerichtet werden sollte.)

Kontakt

J. Prof. Dr. T. Specker,
Prof. Dr. Christian W. Troll,

Kolleg Sankt Georgen
Offenbacher Landstr. 224
D-60599 Frankfurt
Mail: fragen[ät]antwortenanmuslime.com

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