Frage 77:
Eine muslimische Ehefrau, die mit einem Christen verheiratet ist, vermutet, dass dem Paar durch tunesische Verwandte Flüche entgegengebracht wurden, die nun zu Konflikten innerhalb und außerhalb der Ehe führen. Ist Ihnen der Hintergrund solcher Flüche bekannt? Gibt es einen Zusammenhang von Flüchen mit dem Koran? Gibt es Möglichkeiten, diese Flüche zu bekämpfen oder sie aufzuheben?
Antwort:
Nicht nur in den ländlichen Gegenden, auch in weiten Kreisen der Stadtbevölkerungen der islamischen Welt ist der Aberglaube bis heute weit verbreitet. Wie in allem Aberglauben wird dem alten Weib auch im Orient die Macht zugeschrieben, zu binden und zu lösen, Geister zu beschwören, Kranke zu heilen und die Zukunft vorauszusehen. Viele Inhalte des Aberglaubens finden im Koran eine Entsprechung. Der Glaube an die Dschinn nimmt hier eine hervorragende Stellung ein. Man fürchtet sie, weil sie den Menschen Krankheit, Unglück und Tod bringen können. Vor bösen Geistern schützt man sich durch das Tragen von Amuletten. Fährt ein böser Geist in jemanden, so erkrankt er. Menschen, die an Nervenstörungen wie Hysterie, Epilepsie, Melancholie, Apoplexie, Zuckungen und Lähmungen leiden, bezeichnet man bei den Arabern als „gebunden“ oder „vom Dschinn geschlagen“. Die Türken sagen: „Er ist vom Dschinn besessen.“ Geheilt werden können sie nur von Leuten, denen die Dschinn dienstbar sind. Die Heilmittel dazu erlangt man durch Befragen der Geister, Räuchern, Amulettschreiben, Gebete und Sprüche. Andere verstehen sich darauf, die Geister zum Schaden eines anderen Menschen aufzureizen. Sie bedienen sich neben den Talismanen auch der Magie. Als Ursache viele Krankheiten sieht man die unheilvolle Macht des Auges, des so genannten „bösen Blicks“. Aber auch die „böse Rede“ oder der „böse Geruch“ können Schaden bringend wirken. Unter den vielen Ableitungs- und Heilmitteln wie Amuletten und Talismanen gilt das einundvierzigmalige Aussprechen der Formel m? sch?ll?h! (Was Gott will“) als besonders wirksam gegen das „Verschreien“. Versagen alle diese Mittel, wendet man sich an einen Alten (schaikh) oder „Meister“ (türk. khoca). (Vgl. den Eintrag ‚Aberglauben’ (verf. von Senay Yola, München) in Kreiser/Wielandt (hg.), Lexikon der Islamischen Welt. Stuttgart, 1992.)
Nach christlicher Auffassung vertreibt der Glaube an die Allgegenwart des auferstandenen Jesus Christus und die lebendige Verbindung mit ihm durch die Praxis der Geist-gewirkten Sakramente und anderer kirchlicher Riten, Segnungen und Symbolhandlungen (d.h. Sakramentalien) jegliche Schatten des Aberglaubens.