Frage 92:
Was sind Stigmata?
Antwort:
Begriff
Stigma, pl. Stigmata ist ursprünglich ein griechisches Wort und meint profan ein eingebranntes oder tätowiertes Mal als Schmuck, Stammes- oder Eigentumszeichen bei Tieren, Gefangenen oder Sklaven.
Im Kontext der Passionsmystik bedeutet Stigma das unfreiwillig somatisch sichtbare Auftreten („eigentliches Stigma“) oder unsichtbare Schmerzempfinden („unsichtbares Stigma“) der „Wundmale Christi an Lebenden (an Füßen, Händen und Körperseite. Die Male sind therapieresistent, aseptisch, bluten periodisch (oft im zeitlichen Zusammenhang mit liturgischen Passionszeiten).
Geschichte
Bis ins Mittealter ist das Phänomen der Stigmatisation nicht belegt. Der erste belegte Fall einer eigentlichen Stigmatisation ist die des Franziskus von Assisi (am 14. 9. 1224) auf dem Berg Laverna (Toskana). Nach der Vision des Seraphs zeigen sich bei ihm stets plastische Male der Nägel und der Seitenwunde. Von Franziskus stets verborgen, macht sein Gefährte Elias von Cremona dies posthum in einem Rundbrief an den Franziskanerorden publik. Die Nachwirkung ist frappant und zeigt sich in der wachsenden Zahl der Stigmatisationen, je nach Zählung bis heute 350 oder mehr Fälle, darunter Katharina von Siena (1375), Veronica Giuliani (1697), A. K. Emmerick (1813), Th. Neumann (1926).
Theologische Beurteilung
Die Kirche begegnet der Stigmatisation mit Zurückhaltung und Vorsicht. Bei prinzipieller Offenheit für Wunder gilt es, das Phänomen im Kontext der jeweiligen Biographie und der Intentionen zu beurteilen (im Sinn einer „Unterscheidung der Geister“ in medizinischer, psychologischer und theologischer Perspektive). Von betrügerischen Stigmatisationen abgesehen bleibt eine Spannbreite zwischen Autosuggestion und Charisma, naturaler und supranaturaler Entstehung. Der Zusammenhang zwischen Stigmatisation und Heiligkeit ist nicht zwingend, authentische Stigmatisation aber kann ein kategoriesprengender Verweis auf die Bedeutung von Kreuz und Leiden Jesu Christi sein. Es gilt hier, was für katholische Christen allgemein im Hinblick auf Wunder gilt: Für einen Christen, der die Geschichte der Kirche studiert, sind Wunder in Vergangenheit und Gegenwart möglich, selbst wenn bei ihrer Verifizierung die strengsten Kriterien angewandt werden müssen. (siehe: Andreas-Pazificus Alkofer, art. „Stigma“ im Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. IX (Freiburg: Herder, 2000).