Die Berufung des Christen
Ehe
I. Muslimische Sicht
Nach islamischer Anschauung entspricht die eheliche Lebensgemeinschaft von Mann und Frau der göttlichen Schöpfungsordnung:
„Und Gott hat aus euch selbst Gattinnen gemacht, und von euren Gattinnen Söhne und Enkel gemacht. Und er hat euch (einiges) von den köstlichen Dingen beschert.“ (Sure 16,72)
Zu den von Gott geschaffenen und somit gewollten „köstlichen Dingen“ gehören Ehe und Familie.
Die Ehe sei der natürliche Ort der menschlichen Sexualität und der Zeugung von Nachkommen. Wie das Christentum verbietet der Islam vor- und außerehelichen Geschlechtsverkehr und verweist Sexualität auf die Ehe, die zwischen Mann und Frau, Eltern und Kindern eine Lebensgemeinschaft stifte, in der er sich das Zusammenleben entfalten könne. Anders als die katholische Kirche, die auch die aus religiösen Gründen gewählte Lebensform der Ehelosigkeit hochschätzt, gibt der Islam eindeutig der Ehe den Vorzug (vgl. Sure 24,32).
Der Koran betont die Gleichwertigkeit von Mann und Frau. Die Verantwortung für die Schöpfung – mit dem Wort Statthalterschaft ausgedrückt – ist dem Menschen, also Mann und Frau gemeinsam, übertragen worden, nicht allein dem Mann.
Die Beziehung der Eheleute zueinander soll von Liebe und Barmherzigkeit erfüllt sein:
„Und es gehört zu seinen Zeichen, dass er euch aus euch selbst Gattinnen erschaffen hat, damit ihr bei ihnen wohnet. Und Er hat Liebe und Barmherzigkeit zwischen euch gemacht.“ (Sure 30,21).
Die Ehepartner sollen einander ergänzen, indem sie füreinander wie ein Kleid seien.
„Sie sind eine Bekleidung für euch, und ihr seid eine Bekleidung für sie“ (Sure 2,187).
Gleichwohl räumen einige Aussagend es Korans dem Mann einen Vorrang gegenüber der Frau ein. Eine Stufe über der Frau stehe er (vgl. Sure 2,228) und habe ihr gegenüber Vollmacht und Verantwortung:
„Die Männer haben Vollmacht und Verantwortung gegenüber den Frauen, weil Gott die einen gegenüber den anderen bevorzugt hat und weil sie von ihrem Vermögen (für die Frauen) ausgeben“ (Sure 4,34).
Diese Aussagen bedeuten: Der Mann ist insofern bevorzugt und höher gestellt, als er Verantwortung und Pflichten gegenüber der Frau und den Kindern wahrzunehmen hat. Hierzu gehören die Zahlung der Morgengabe an die Frau, die Sicherung des Lebensunterhalts und des Schutzes von Frau und Kindern soweit die Vertretung ihrer Belange.
Der Ehemann, Haushaltsvorstand und Oberhaupt der Familie, ist mehr für die Existenzsicherung, für Position und Interessen der Familie in der Gesellschaft, im äußeren Bereich zuständig, die frau mehr für die häusliche Sphäre und die Erziehung der Kinder. Die Eheleute haben nicht die gleichen, sondern jeweils eigene Aufgaben und Pflichten.
Der Islam tendiert zur Trennung der Geschlechter in der Gesellschaft. Daraus folgen für die Frauen bestimmte Verhaltensregeln und Umgangsformen. Nur im eigenen Haushalt, vor ihren Familienangehörigen oder im Kreis von Frauen darf sie sich frei, „locker“, bewegen, soll ansonsten aber Zurückhaltung üben:
„Und sprich zu den gläubigen Frauen, sie sollen ihre Blicke senken und ihre Scham bewahren, ihren Schmuck [ihre Reize] nicht offen zeigen, mit Ausnahme dessen, was sonst sichtbar ist. Sie sollen ihren Schleier auf den Kleiderausschnitt schlagen und ihrem Schmuck nicht offen zeigen, […]“ (Sure 24,31).
Das erklärt die traditionelle Sitte der Verschleierung und Zurückhaltung der Frau im öffentlichen Leben – womit die Frau nicht diskriminiert sondern beschützt werden soll.
Und auch der Man soll Anstand und Zurückhaltung zeigen:
„Sprich zu den gläubigen Männern, sie sollen ihre Blicke senken und ihre Scham bewahren. Das ist lauterer für sie. Gott hat Kenntnis von dem was sie machen“ (Sure 24,30):
Der Koran stellt also die Gleichwertigkeit von Mann und Frau unter Wahrung ihrer rollenspezifischen Aufgaben und Pflichten fest. Die Praxis aber kann hiervon abweichen. Geschichtliche Entwicklungen, Sitten und Bräuche habe der Frau oft eine untergeordnete Rolle zugewiesen.
Auch die westliche Gesellschaft kennt die patriarchalische Gesellschaftsstruktur. Der Blick auf die Kulturen des Morgen- und de Abendlandes darf religiöse und gesellschaftliche Norm nicht miteinander verwechseln, selbst wenn diese sich gern auf jene beruft.
II. Christliche Sicht
a. Das Wesen der Ehe
Die katholische Kirche glaubt: Gott selbst hat die Lebensgemeinschaft von Mann und Frau gestiftet. Gott hat die Menschen nach seinem Abbild als Mann und Frau erschaffen und einander zu Gefährten gegeben. Das stellt die erste biblische Schöpfungserzählung im Buch Genesis des Alten Testaments dar:
„Dann sprach Gott: Lasst und den Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. […] Gott schuf also den Menschen als sein Abbild, als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie. Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar, und vermehrt euch, bevölkert die Erde […]“ (Genesis 1,26-28).
Die zweite Schöpfungserzählung der Bibel hebt die Zusammengehörigkeit von Mann und Frau noch deutlicher hervor:
„Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt“
(Gen 2,18),
und etwas weiter:
„Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch“
(Gen 2,24).
Dass die eheliche Lebensgemeinschaf6t von Gott grundgelegt ist, bestätigt Jesus im Neuen Testament der Bibel:
„Am Anfang der Schöpfung aber hat Gott sie als Mann und Frau erschaffen. Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen, und sie werden ein Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins“
(Markus-Evangelium 10,6-8)
Diese Texte der Bibel sind die Grundlage für die Feststellung der katholischen Kirche, dass die Ehe hingeordnet ist
auf das Wohl der Gatten
und
auf die Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft.
Im katholischen Verständnis ist die Ehe zum einen
ein sog. Rechtsinstitut. Das bedeutet: Sie ist eine rechtlich verankerte, rechtlich beschaffene und geschützte Beziehung, die auch selbst unter rechtlichen Maßgaben steht. Sie ist ein Vertrag.
Zum anderen
umgreift das Verständnis der Ehe als Bund die juristische Definition. Ein Vertrag kommt durch die Willenserklärung der Partner auf eine bestimmte Leistung zustande. Das enthält das Verständnis von der Ehe zwar auch. Aber über das nüchterne Wort Vertrag hinaus betont das Wort Bund, dass die Ehe eine personale Beziehung, eine Lebenseinheit, ja eine Schicksalsgemeinschaft zwischen den Eheleuten ist, die religiös getragen und ausgerichtet ist.
Der Glaube der katholische Kirche umschließt und steigert diese Gesichtspunkte noch: Die Ehe ist ein
Sakrament. Das ist ein wirksames Zeichen für den Bund Gottes mit den Menschen. Am Menschen liegt es nun, dieses Zeichen wirksam werden zu lassen, nämlich die Liebe Gottes zu den Menschen sichtbar zu machen, wie Gott sein Liebe zu den Menschen durch Jesus Christus erwiesen hat. Das bedeutet für die Ehe: Die Eheleute sollen die Liebe, die Gott ihnen im Sakrament der Ehe schenkt, einander und nach außen in die Gesellschaft weitergeben.
Nur eine gültig geschlossene Ehe zwischen Christen gilt in der katholischen Kirche als Sakrament. Die Kirche achtet und schützt aber auch Ehen zwischen Christen und Nichtchristen sowie Ehen zwischen Nichtchristen, ganz gleich, ob diese nach religiösem, staatlichen oder dem lokalen Recht eines Stammes geschlossen worden sind. Denn die Ehe ist keine von Menschen oder von der Kirche eingesetzte Einrichtung, sondern gründet auf dem Willen und Handeln Gottes.
Somit ist eine zwischen Partnern islamischen Glaubens nach islamischem Recht geschlossene Ehe zwar kein Sakrament, aber dennoch gültig. Und auch die Ehe zwischen eine islamischen und einem katholischen Partner ist kein Sakrament. (Wird der muslimische Partner Christ, wird die Ehe sakramental.) Dennoch achtet, schützt und segnet die Kirche ein solche Ehe und erkannt ihr volle Gültigkeit zu, sofern die nötige Dispens – hier: die Befreiung vom Ehehindernis der Religionsverschiedenheit – erteilt wurde.
b. Wesenseigenschaften der Ehe
Die katholische Kirche betrachtet die Ehe als eine personale Lebensgemeinschaft, die jede gleichartige Beziehung – auch etwa nur unpersönlicher sexueller Art – zu einem Außenstehenden ausschließt. Nicht nur auf der Entscheidung der Eheleute füreinander gründet sie, sondern auf der Verbindung miteinander durch Gott. Deshalb hat nach katholischer Anschauung jede Ehe die Eigenschaften der
Einheit und Unauflöslichkeit.
Einheit bedeutet Einpaarigkeit, nämlich die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau. Alle Formen der gleichzeitigen oder zu Lebzeiten des Gatten auf die Ehe mit ihm folgenden weiteren Ehen sind ausgeschlossen. Somit ist die Ehe eines Mannes mit mehreren Frauen (Polygynie) oder einer Frau mit mehreren Männern (Polyandrie)nicht möglich.
Unauflöslichkeit bedeutet: Es gibt grundsätzlich keine Möglichkeit für eine oder beide Partner, nach einer einmal gültig geschlossenen und vollzogenen Ehe für eine neue Ehe mit einem anderen Partner frei zu werden durch Auflösung der bestehenden Ehe. Weder ist die innere Auflösbarkeit (durch die Partner selbst) möglich, noch die Auflösbarkeit (durch eine außerhalb der Ehe stehende Autorität). Erst der Tod löst das Eheband.
(Aus: Katholisch/islamische Ehen: Eine Handreichung. Hrsg. Erzbischöfliches Generalvikariat Köln, Hauptabteilung Seelsorge. Redaktion: Referat für Interreligiöse Dialog, 2000, S. 11-14; 35-39.)
Gottgeweihte Ehelosigkeit
I. Muslime fragen
- Warum heiraten Priester und Ordensangehörige nicht?
II. Muslimische Sicht
Allgemein
1. Der Islam lehrt, dass es die natürliche Berufung jedes Mannes und jeder Frau ist, eine Familie zu gründen und die damit verbundenen Anforderungen und Risiken gläubig auf sich zu nehmen. Die Gründung und der Aufbau einer Familie werden daher als eine Pflicht gegenüber der menschlichen und religiösen Gemeinschaft betrachtet. Folglich haben die Muslime den Verdacht, dass jemand, der freiwillig ehelos bleibt, obwohl er zur Ehe fähig ist, dies aus Egoismus tut. Oder man denkt als Motiv an Impotenz oder an eine tiefe Enttäuschung nach einer unglücklichen Liebe. Auch zweifelt man, dass die Verpflichtungen des Gelübdes der Ehelosigkeit wirklich eingehalten werden: Man stellt sich verborgene Beziehungen zwischen Priestern und Ordenspriestern, auch homosexuelle Beziehungen, vor und zwar aufgrund der allgemeinen Überzeugung, dass gesunde Männer und Frauen nicht ohne sexuelle Beziehungen leben können.
2. Die Ehe ist ferner eine der Grundpflichten des Gläubigen („Ehe ist der halbe Glaube“: al-zawâdsch nisf al-îmân, wie ein oft zitierter Hadis sagt). Das gilt im besonderen für den Mann, dessen Pflicht es ist, „das schwache Geschlecht“ zu „beschützen“. So wird verständlich, warum freiwillige Ehelosigkeit bei den Muslimen eine Aura des Skandals, der Kritik und Ablehnung hervorruft. Allerdings ist bezüglich dieser spontanen und elementaren Reaktion unter Muslimen heute eine gewisse Entwicklung zu beobachten.
3. In unseren Tagen gibt es in der islamischen Welt immer öfter Fälle freiwilliger Ehelosigkeit, zumindest auf Zeit, unter Männern und Frauen, entweder aus Hingabe (wie z. B. ältere Brüder und Schwestern, die sich um die jüngeren Kinder in der Familie kümmern; wie Krankenschwestern und Sozialarbeiter, die sich ganz ihrer Aufgabe widmen; wie Freiheitskämpfer [etwa die fidâ’iyyûn und fidâ’iyyât im Palästinensischen Freiheitskampf]), oder aus eher persönlichen Gründen (der Wunsch, außerhalb oder vor der Ehe Erfüllung im Leben zu suchen) oder aus religiösen Gründen: unverheiratete Pilger (hâdschiyyûn) oder junge Witwen, die sich entscheiden, für eine gewisse Zeit, wenn nicht für das ganze Leben, zu Gebet und Meditation in Mekka zu bleiben.
4. Diejenigen, die Priester und Ordensleute kennen und sie rund um die Uhr erleben, erkennen an, dass die gottgeweihte Ehelosigkeit wirklich gelebt wird. Manche bewundern diese Art zu leben (immer wieder kommt es z. B. vor, dass muslimische Mädchen, die mit Ordensfrauen zusammenleben oder -arbeiten, ihrem Bedauern Ausdruck verleihen, dass es keine vergleichbare Form von religiösem Leben im Islam gibt. Sie würden gerne als Muslime Gott-geweihtes eheloses Leben führen. Was sind ihre Motive? Flucht vor dem Ehestand oder das Verlangen nach einem Leben in Hingabe? Häufiger werden Menschen sagen: „Das ist in Ordnung für Christen, aber ‚im Islam gibt es kein Asketentum‘ (lâ rahbâniyyat fîl-Islâm)“.
Im Einzelnen
1. Von einigen Ausnahmen abgesehen kann man sagen: Die gottgeweihte Ehelosigkeit wird im Islam nicht als menschliches oder religiöses Ideal anerkannt. Im Koran finden wir praktisch keine Spur davon. Der Prophet war verheiratet. Es gibt viele Hadise, die die Ehe ausdrücklich preisen und die gottgeweihte Ehelosigkeit negativ darstellen und ablehnen. Etwa folgende: „Unsere sunna (Tradition mit rechtlichem Charakter) ist das Eheleben“ (sunnatu-nâ al-zawâdsch); „Die Ehe ist der halbe Glaube“. „Hätte ich einen Tag mehr zu leben und wäre nicht verheiratet, so würde ich eine Frau nehmen, damit ich Gott nicht als unverheirateter Mann begegne.“ Einem Muslim, der noch unverheiratet war, wurde gesagt: „So, du hast dich also entschlossen, in der Gemeinschaft mit Satan zu leben? Falls du ein christlicher Mönch werden willst, dann trete doch ihrer Gemeinschaft öffentlich bei; bist du aber einer von uns, dann folge unserer sunna!“
Einer der größten muslimischen Theologen, al-Ghazâli (1059–1111)(62), erklärt in aller Ausführlichkeit die Gründe, warum die Ehe im Islam bindend vorgeschrieben ist:
- Nachkommenschaft zu zeugen in Übereinstimmung mit dem klaren Willen Gottes und des Propheten;
- die muslimische Gemeinschaft zu stärken;
- seine Sinnlichkeit zu befriedigen und einen Vorgeschmack des Paradieses schon hier auf Erden zu kosten;
- für den Mann: der Vorteil, jemanden zu haben, der nach der Hausarbeit sieht und der einem deshalb freie Zeit lässt für das Gebet;
- für den Mystiker: Entspannung durch Vergnügen mit seiner Frau zu finden;
- eine Gelegenheit schließlich, in Geduld zu wachsen durch das Ertragen des Temperaments der Frau. Fast alle islamischen Mystiker waren verheiratet.
2. Dennoch wird die gottgeweihte Ehelosigkeit nicht total ignoriert und in jedem Fall abgelehnt. Der Koran preist Maria als das vollkommene Beispiel der Jungfräulichkeit: „Und die ihre Keuschheit wahrte“ (Sure 21,91; 66,12; vgl. 3,39 mit den Hinweis auf Johannes den Täufer [Yahyâ] der keusch [hasûr] war und einer Andeutung der Keuschheit Jesu). Mönche werden lobend erwähnt (Sure 5,82; 24,36–37; 57,27; aber siehe auch 9,31.34). Einige Mystiker und Asketen lebten als Muslime die gottgeweihte Ehelosigkeit. So die bekannte Mystikerin Râbi’a von Basra (8. Jahrhundert), deren Weigerung, sich zu verehelichen, ein Gelübde der Weihe an Gott zu implizieren scheint. Die Handbücher einiger Sufiorden (Rahmâniyya, Bektâshiyya …) preisen Ehelosigkeit aus religiösen Motiven. Al-Ghazâli hält die Ehelosigkeit nur dann für ratsam, falls man mit den Ausgaben und Belastungen einer Familie nicht fertig werden kann, falls der Charakter der Ehefrau zu schwierig ist oder falls die Ehefrau den Mystiker von der intensiven Praxis der Meditation abhalten würde. Er kommt zu dem Schluss, dass der Wert des Verheiratet- oder Nichtverheiratetseins von den Umständen abhängt. Das Ideal bestehe in der Möglichkeit, das verheiratete Leben mit Frömmigkeit und Hingabe an Gott verbinden zu können, wie es der Prophet Muhammad getan habe.
Zu Jesu Ehelosigkeit bemerkt Al-Ghazâli:
„Vielleicht war er so veranlagt, dass ihn die Beschäftigung mit der Familie zu sehr mitgenommen hätte oder dass es ihm dabei zu schwer geworden wäre, in erlaubter Weise den Unterhalt zu beschaffen, oder er vermochte die Ehe nicht mit der Hingabe an den Dienst Gottes zu vereinigen und wählte daher die Hingabe an den Dienst Gottes allein.“(63)
III. Christliche Sicht
Hier geht es nicht um die Single-Kultur im nichtreligiösen Raum, die überdies keine geschlechtliche Enthaltsamkeit kennt. Es geht um die bewusste christliche Motivierung der Ehelosigkeit, insbesondere um die geforderte Ehelosigkeit der Priester und Ordensangehörigen einschließlich geschlechtlicher Enthaltsamkeit.
1. Katholische Sicht
Für den katholischen Glauben gibt es drei grundsätzliche Motive für die gottgeweihte Ehelosigkeit, die sich gegenseitig ergänzen:
– um des Himmelreiches willen (Mt 19,12) bzw. um der Verkündigung des Evangeliums willen wie bei Paulus (vgl. 1 Kor 9). Es geht darum, Jesus Christus seine volle Dankbarkeit und Liebe zu zeigen. Bei denjenigen, die zur Ehelosigkeit berufen sind, kann diese Lebensform die innere Bindung an Gott und die Offenheit für Gott fördern. Ehelosigkeit kann die Erwartung Gottes und seines Reiches zum Ausdruck bringen;
– der Dienst an den Mitmenschen, den eine vollkommene Hingabe an die Aufgabe fördert;
– eine bewusste Nachahmung Jesu, der ehelos lebte, und Marias, die im Glaubensbekenntnis als „Jungfrau“ benannt wird. Sehr viele um Jesu willen ehelose Christen haben sich dadurch anregen und motivieren lassen.
2. Evangelische Sicht
Die Befürwortung der Ehe steht gleichberechtigt neben der der Ehelosigkeit. Der Ehelosigkeit kommt keine besondere Vorzugsstellung zu. Sie kann um des völligen Dienstes an der Verkündigung des Evangeliums willen sinnvoll sein. Sie wird jedoch nicht für Pfarrer und Pfarrerinnen gefordert. Sie wird in einigen Gemeinschaften gelebt, bedeutet aber auch dort keine unkündbare Bindung. Der Ehelosigkeit Jesu kommt keine Leitfunktion zu; Jesus dient allerdings Ehelosen auch als Vorbild. Gleiches gilt für Maria nicht. Exegeten gehen davon aus, dass Maria keineswegs dauerhaft enthaltsam lebte, sondern neben Jesus noch weitere Kinder hatte (Mk 6,3).
IV. (Katholische) Christen antworten
1. Wo Muslime Egoismus als Motiv vermuten, kann man antworten, das Ideal der gottgeweihten Ehelosigkeit sei motiviert auch vom Dienst an den Menschen (li-khidmat al-insâniyya), und vom Willen, Gutes zu tun (li-l-a’mâl al-khayriyya). Dies verlangt jedoch von den Ehelosen, dass sie wirklich für den Dienst an den Mitmenschen verfügbar sind. Es wird nicht überzeugen, wenn ihre Lebensweise kaum von denen verheirateter Menschen verschieden ist. Ehelosigkeit kann nur christlich gelebt werden, wenn die gesamte Lebensweise vom Geist des Evangeliums geprägt ist.
2. Wo man die religiös-moralische Verpflichtung, zu heiraten und eine Familie aufzubauen, betont, kann darauf hingewiesen werden, die Ehelosigkeit ziele auf eine direkte Weihe an Gott (li-wajh Allâh; aslama wajha-hu li-llâh), oder geschehe um des Gebetes willen. Dies setzt voraus, dass man den Geist der vollen Hingabe und des Gebets tatsächlich wahrnehmen kann.
3. Wo man den Verdacht hat, dass eine enttäuschte Liebe hinter der Entscheidung für die Ehelosigkeit steht, kann man auf den Wert und die Schönheit des ehelichen Lebens, der christlichen Familie als Ideal und eventuell auf glücklich verheiratete Schwestern und Brüder hinweisen.
4. Man sollte die Anfechtungen der Ehelosigkeit nicht verschweigen und nicht leugnen, dass nicht wenige den Weg der Ehelosigkeit für sich als zu schwer erachteten und daher abbrachen. Auch der Weg der Ehelosigkeit schützt nicht vor Krisen.
5. Geistliche oder Ordensangehörige sollten, wenn sie auf dieses Thema hin angesprochen werden, davon erzählen, wie sie die Berufung erlebt haben als einen Ruf, eine Einladung (da’wa) Gottes zu größerer Liebe, mit dem Verlangen, Jesus und die Jungfrau Maria nachzuahmen. Man kann erzählen, wie diese Berufung heranreifte, durch Gebet, Nachdenken und Beratung mit anderen gläubigen Christen, mit der Unterstützung der Familie, falls dies der Fall war; wie die Idee schließlich so klar und drängend wurde, dass eine Ablehnung Traurigkeit und Unglück hervorgerufen hätte. Allerdings setzt dies voraus, dass man im Leben eines gottgeweihten Ehelosen wahre menschliche und geistliche Erfüllung glaubwürdig wahrnehmen kann.
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- (62) Siehe Hans Bauer, Islamische Ethik. Nach den Originalquellen übersetzt und erläutert. Heft II. Von der Ehe (Das 12. Buch von al-Gazâli´s Hauptwerk [Ihyâ ’Ulûm al-dîn]. Halle: Max Niemeyer, 1917. (photomechanischer Nachdruck Hildesheim: Olms Verlag, 1979)
- (63) Ebd. S. 48.