Frage 109:
Kann auch die Inquisition als Beispiel der christlichen Toleranz und Friedensliebe gelten?
Antwort:
In Antwort sei, in Auswahl, aus dem von der Deutschen Bischofskonferenz herausgegebenen 2. Band des Katholischen Erwachsenen-Katechismus „Leben aus dem Glauben“ (Freiburg i. Br.: Herder, 1995, S. 202-204), zitiert.
„Missbrauch von Macht ‚im Namen Gottes’
Die schlimmste Weise den Namen Gottes zu verunehren und seinen Namen zu missbrauchen ist die Anwendung von ungerechter Gewalt ‚im Namen Gottes’. In seinem Namen ist in der Geschichte Schreckliches geschehen. Auch in der Kirche ist man im Laufe der Geschichte öfters der Versuchung der Macht erlegen. So liegt bis in unsere Zeit, in der die Kirche mit großem Nachdruck die Gewährleistung der Menschrechte einklagt, eine schwere Hypothek der Vergangenheit auf der Kirche mit den Vorgängen, die mit der Inquisition im Zusammenhang stehen.
Die Inquisition ist die am meisten missverstandene, aber auch die am meisten missbrauchte Institution. Ihr ursprünglicher Sinn bestand darin, die Einheit des Glaubens vor der ernsthaften Bedrohung durch glaubensfremde, schwärmerische und umstürzlerische Bewegungen zu bewahren, die im Mittelalter, etwa bei den Katharern, zur Gründung von Neben- und Gegenkirchen führten. 1184 kam es, entsprechend dem damaligen Verständnis von geistlicher und weltlicher Obrigkeit, zwischen Papst Lucius III. und Kaiser Friedrich I. (Barbarossa) zu einer Vereinbarung über die Verfolgung von Häretikern. Der kirchlichen Obrigkeit kam die Aufgabe zu, vermutete Straftaten (Ketzerei) auszuforschen und zu verurteilen (inquisitio), während die weltliche Obrigkeit für die Vollstreckung des Urteils zu sorgen hatte. Die weltliche Obrigkeit, die sich als Schutzherrin der Kirche verstand und die Auflehnung gegen die christliche Religion als Bedrohung der christlichen Gesellschaft (res publica christiana) ansah, war an der Verfolgung der Häretiker in hohem Maße interessiert und drängte die Kirche in der Folgezeit auf einen Ausbau der Inquisition. Bedeutende Theologen wie Thomas von Aquin (1225-1274) in seinem Hauptwerk Summa Theologica, lieferten die theologische Rechtfertigung für die Verfolgung und Hinrichtung von hartnäckigen Häretikern (vgl. S. th. II II q.11, art. 3).
Die Inquisition ist in der Folgezeit von den verschiedenen zuständigen Institutionen in den einzelnen Ländern in sehr unterschiedlicher Weise durchgeführt worden. Neben fanatischen Verfechtern gab es auch scharfe Gegner des Missbrauchs der Inquisition, besonders bei der späteren Hexenverfolgung (z. B. der Jesuit Friedrich Spee [1591/1635]) vom 15. bis 18. Jahrhundert.
Die Tragik der Inquisition besteht darin, dass dem damaligen Denken noch die Begründung der heute als selbstverständlich empfundenen Toleranz fehlte, dass ferner die ursprünglichen Anliegen einer ordentlichen rechtlichen Instanz im Sog von Exzessen und Massenwahn verfälscht und missbraucht wurden und dass sich schließlich die Bemühungen von Kräften, die sich – wie die Inquisition in Spanien – gegen den Hexenwahn stellten, nicht genügend durchsetzen konnten. Mit der Abschaffung der Inquisition (in Portugal erst 1821 und in Spanien erst 1834 (…) ist ein Kapitel beendet, das der Kirche bis heute als Missbrauch von Macht im Namen Gottes vorgeworfen wird.
Auch eine historisch differenzierte und sachliche Bewertung der Vergangenheit kann die Betroffenheit der Christen über den Missbrauch der Macht, auch durch hohe Kirchenvertreter, an dem bei der Hexenverfolgung Katholiken und Protestanten gleichermaßen teilhatten, nicht auslöschen. Aus einer vertieften Sicht hat Papst Pius XII im Jahr 1955 in einer Ansprache vor Historikern den Blick für das Verhältnis von Kirche und Welt, von Glaube und Wissen klargestellt und entsprechende Kriterien vorgetragen (vgl. Acta Apostolicae Sedis XLVII, 1955, 672-682). Darüber hinaus hat Papst Johannes Paul II mit der Rehabilitierung von Galilei einen großen Schritt zur Aufarbeitung der Vergangenheit getan.“ (siehe auch: www.inquisition2000.de)
Die vom Papst lange angekündigte "Gewissensprüfung am Ende des Jahrtausends" führte am 12. 3. 2000 während eines feierlichen Pontifikalgottesdienstes im Petersdom zu einem großen Schuldanerkenntnis für die Verfehlungen der Kirche – das große "Mea culpa". Der Papst bat um Vergebung für Inquisition, Ketzerverbrennungen, Glaubenskriege und den Jahrhunderte langen Antijudaismus der Kirche.
ttp://www.kath.de/bistum/mainz/texte/vergebung2000_text.htm
Wir zitieren hier den aus diesem Schuldbekenntnis:
„ALLGEMEINES GEBET
SCHULDBEKENNTNIS UND VERGEBUNGSBITTE
Gebetseinladung
Der Heilige Vater:
Liebe Brüder und Schwestern,
lasst uns vertrauensvoll zu Gott unserem Vater rufen,
der barmherzig und langmütig ist,
reich an Erbarmen, Liebe und Treue.
Er möge die Reue seines Volkes annehmen,
das in Demut seine Schuld bekennt,
und ihm seine Barmherzigkeit schenken.
Alle verharren im stillen Gebet.
I. ALLGEMEINES SCHULDBEKENNTNIS
Ein Vertreter der Römischen Kurie
(Kardinal Bernardin Gantin, Dekan des Kardinalskollegiums)
Lasst unser Bekenntnis und unsere Reue
vom Heiligen Geist beseelt sein.
Unser Schmerz sei ehrlich und tief.
Und wenn wir in Demut die Schuld der Vergangenheit betrachten
und unser Gedächtnis ehrlich reinigen,
dann führe uns auf den Weg echter Umkehr.
Stilles Gebet
Der Heilige Vater:
Herr unser Gott,
du heiligst deine Kirche auf ihrem Weg durch die Zeit
immerfort im Blut deines Sohnes.
Zu allen Zeiten weißt du in ihrem Schoß
um Glieder, die durch ihre Heiligkeit strahlen,
aber auch um andere, die dir ungehorsam sind
und dem Glaubensbekenntnis und dem heiligen Evangelium widersprechen.
Du bleibst treu,
auch wenn wir untreu werden.
Vergib uns unsere Schuld
und lass uns unter den Menschen wahrhaftige Zeugen für dich sein.
Darum bitten wir durch Christus unseren Herrn.
R/. Amen.
Kantor:
Kyrie, eleison (=Herr, erbarme Dich); Kyrie, eleison; Kyrie, eleison.
Die Gemeinde antwortet:
Kyrie, eleison; Kyrie, eleison; Kyrie, eleison.
Vor dem Kruzifix wird ein Licht entzündet.
II. BEKENNTNIS DER SCHULD IM DIENST DER WAHRHEIT
Ein Vertreter der Römischen Kurie
(Kardinal Joseph Ratzinger, Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre)
Lass jeden von uns zur Einsicht gelangen,
dass auch Menschen der Kirche
im Namen des Glaubens und der Moral
in ihrem notwendigen Einsatz zum Schutz der Wahrheit
mitunter auf Methoden zurückgegriffen haben,
die dem Evangelium nicht entsprechen.
Hilf uns Jesus Christus nachzuahmen,
der mild ist und von Herzen demütig.
Stilles Gebet
Der Heilige Vater:
Herr, du bist der Gott aller Menschen.
In manchen Zeiten der Geschichte
haben die Christen bisweilen Methoden der Intoleranz zugelassen.
Indem sie dem großem Gebot der Liebe nicht folgten,
haben sie das Antlitz der Kirche, deiner Braut, entstellt.
Erbarme dich deiner sündigen Kinder
und nimm unseren Vorsatz an,
der Wahrheit in der Milde der Liebe zu dienen
und sich dabei bewusst zu bleiben,
dass sich die Wahrheit nur mit der Kraft der Wahrheit selbst durchsetzt.
Darum bitten wir durch Christus unseren Herrn.
R/. Amen
R. Kyrie, eleison; Kyrie, eleison; Kyrie, eleison.
Vor dem Kruzifix wird ein Licht entzündet.“