Frage 80:
1. Korintherbrief 14,34-35 sagt: “Die Frauen sollen in der Versammlung schweigen; es ist ihnen nicht gestattet zu reden. Sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz es fordert...es gehört sich nicht für eine Frau, vor der Gemeinde zu reden.” Jetzt gibt’s aber sogar weibliche Pastoren. Ist das Evangelium nicht mehr gültig?
Antwort:
Die Gottebenbildlichkeit betrifft gleichermaßen Mann und Frau (Genesis 1,27). Es gibt hierin keine Abstufung. Darum widersprechen alle Diskriminierungen der Frau, wie sie die menschliche Kultur- und Zivilisationsgeschichte kennt, dem ursprünglichen Schöpferwillen. Die Gleichrangigkeit und Gleichwertigkeit von Mann und Frau ist und bleibt für Welt und Kirche eine feierliche Lehre der Gottesoffenbarung.
Jesus rückte durch sein Verhalten die Würde und Gleichwertigkeit der Frau ins Licht. An seiner Predigt, an seinen Handlungen, an seiner Liebe zu den Menschen haben die Frauen ebenso Anteil wie die Männer. Er nimmt Frauen in seine Begleitung auf und lässt sich von ihnen unterstützen (Lk 8,1-3), tritt für eine verachtete Dirne ein (Lk 7,36-50) und durchbricht die damaligen gesellschaftlichen Schranken (Joh 4,27) und religiöse Tabus (Mk 5,28-34).
Die Absicht Jesu, den gleichen Rang und die gleiche Würde der Frau gegenüber dem Mann zur Geltung zu bringen und die Frauen aus den Fesseln damaliger Anschauungen und Gewohnheiten zu befreien, wird in der Urkirche ernst genommen. Paulus greift auf die Taufe zurück, in der die bisherigen Unterschiede überwunden und alle Getauften in einer Einheit in Christus zusammengeführt sind. „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr seid alle einer in Christus Jesus“ (Gal. 3,27f). Dieser grundlegende theologische Satz, der die Schöpfungsordnung in der von Christus gebrachten Neuschöpfung neu auflegt, zielt dahin, die bisherigen trennenden Schranken und Hemmnisse zu überwinden.
Die gläubige Erkenntnis in die Praxis umzusetzen war selbst für Paulus nicht leicht (vgl. 1Kor 11,2-16), der den oben zitierten Satz mit enthält, obwohl Paulus Frauen zur vollen Teilnahme am Gemeindeleben berief, ja leitende Aufgaben (vgl. Röm 16,1-5 u.a.) und missionarische Tätigkeit (vgl. Röm 16,7) von Frauen anerkannte. In der Zeit nach Paulus gab es auch Tendenzen, Frauen stärker dem häuslichen Bereich zuzuordnen (vgl. 1Kor 14,34f mit 1Tim 2,11-15; ferner 1 Petr 3,1-6; Tit 2,5; 1Tim 5,11-14). Die Mahnung an die Männer, ihre Frauen zu lieben, die auch in römisch-hellenistischer Ethik auftaucht, empfängt in Eph 5,25-32 innerhalb der christliche „Haustafel“ eine einzigartige Vertiefung: „Ihr Männer, liebt euere Frauen, wie Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat. (5,25). Das Vorbild der dienenden Liebe Christi musste die Haltung des Mannes zu seiner Frau verändern: statt patriarchalischer Machtausübung hingebende Liebe. Im Übrigen mahnt Eph 5,21 alle Christen, Männer und Frauen: „Einer ordne sich dem anderen unter in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus.“
Was die kirchliche Lehre angeht, so bestehen in der gegenwärtigen katholischen und orthodoxen Kirche bezüglich des Amtes einige schwerwiegende Fragen an. Eine, unter weiteren, vieldiskutierten Fragen ist das Problem der Zulassung der Frauen zum Priesteramt. In ihrer menschlichen und christlichen Würde sind Frauen den Männern ebenbürtig. Deshalb sollen Frauen in allen Bereichen des Apostolats der Laien einen ebenbürtigen Platz einnehmen. Die römische Kongregation für die Glaubenslehre hat 1976 jedoch erneut festgestellt, dass der katholischen Kirche aufgrund des Beispiels Jesu wie aufgrund der gesamten kirchlichen Tradition die Zulassung der Frau zum priesterlichen Amt nicht möglich erscheint. Dies ist keine letztverbindliche dogmatische Entscheidung. Die Argumente der Schrift haben freilich erhebliches Gewicht und müssen in der Kirche gegenüber den Argumenten aus der Forderung nach gesellschaftlicher Gleichberechtigung von Mann und Frau eindeutig das Übergewicht haben. Außerdem will die katholische Kirche in Fragen des Amtes nicht von der orthodoxen Kirche getrennte Wege gehen.
In der anglikanischen sowie in vielen protestantischen Kirchen fungieren Frauen als Pastorinnen und gar als Bischöfinnen.