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Ethik und Soziallehre

DAS RICHITIGE VERHALTEN

 

DAS CHRISTLICHE IDEAL

Die christliche Kirche kennt kein organsiertes System von allgemeingültigen Vorschriften für richtiges Verhalten. In der Geschichte des Christentums versuchten einige Gruppen hin und wieder, systematische Verhaltensregeln aufzustellen, doch dies war für die Kirche als Ganzes niemals akzeptabel. Christen verlassen sich nicht auf das Regelwerk, das ein bestimmtes Verhalten vorschreibt, weil:

 

Jesus der Messias lehrte: „Liebe den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen, mit ganzem Willen und mit ganzem Verstand!“ Dies ist das größte und wichtigste Gebot. Aber gleich wichtig ist ein zweites: ‚Liebe deinen Mitmenschen wie die selbst!‘ In diesen beiden Geboten ist alles zusammengefasst, was das Gesetz und Propheten fordern“ (Matthäus 22,37-40). Liebe ist der Schlüssel zu jeglicher christlicher Moral. Wahre Nächstenliebe kann nur aus dem Herzen kommen. Man kann sie nicht auf ein Regelwerk reduzieren. Es ist innere Haltung, die zählt. Liebe zu unseren Mitmenschen ist die Grundlage christlichen Verhaltens.

 

Der Heilige Geist wohnt in uns, um uns auf den Weg der Gerechtigkeit zu führen. Bevor Jesus gekreuzigt wurde, hatte er verheißen, dass Gott, nachdem er in den Himmel aufgenommen würde, seinen Heiligen Geist senden würde, der „euch anleiten [wird] in der vollen Wahrheit zu leben“ (Johannes 16,13). Jesus verhieß auch, dass der Heilige Geist „den Menschen zeigen [wird], was Sünde ist und was Gerechtigkeit und was Gericht“ ist (Johannes 16,8).Der Heilige Geist ist die personale Gegenwart Gottes im Leben es Christen und der Kirche. Der Heilige Geist führt den Gläubigen und die Kirche in Wahrheit und Gerechtigkeit. Es ist unmöglich diese Art der persönlichen Begegnung mit Gott, der der ganz und gar Gerechte ist, auf einen formalen ethischen Kodex zu reduzieren. Christliche Gerechtigkeit entspringt einer Gemeinschaftsbeziehung mit Gott. Man kann sie nicht in ein Regelwerk fassen. Dafür ist sie eine zu persönliche Angelegenheit.

 

Der Heilige Geist erschafft im Menschen wieder das Bild Gottes, das verzerrt wurde, als sich die Menschen von Gott abwandten. Gott ist interessiert daran, den Menschen zu erneuern und wieder gerecht zu machen. Doch der sklavische Gehorsam gegenüber Gesetzen erschafft keine Menschen neu. Sie können immer noch böse Gedanken hegen, obwohl sie nach außen rechtschaffen wirken. Jesus sorgte sich im höchsten Maß um den inneren Menschen, wo Rechtschaffenheit oder Böses ihren Ursprung haben. Das ist der Grund, warum Jesus die religiösen Führer seiner Zeit heftig kritisierte.

 

Weh euch Gesetzeslehrern und Pharisäern! Ihr Scheinheiligen! Ihr reinigt sogar noch das Äußere von Becher und Schüssel. Aber was darin ist, habt ihr in eurer Gier zusammengestohlen. Ihr blinden Pharisäer! Sorgt zuerst dafür, dass es mit den Inhalt des Bechers seine Richtigkeit hat, dann wird auch sein Äußeres rein (Matthäus 23,25-26).

 

Im gesamten Neuen Testament wird die Notwendigkeit nachdrücklich betont, sich umgestalten, sich neue erschaffen zu lassen, mit dem inneren Menschen Jesus ähnlich zu werden. Der Apostel Paulus schrieb unter der Inspiration des Heiligen Geistes:

 

Legt also euere früheren Lebensweisen ab! Ja, legt den ganzen alten Menschen ab, der seinen Begierden folgt! Sie betrügen ihn nur und führen ihn ins Verderben. Lasst euch in eurem Denken erneuern durch den Geist, der euch geschenkt ist. Zieht den neuen Menschen an, den Gott nach seinem Bild geschaffen hat und der gerecht und heilig lebt aus der Wahrheit Gottes, an der nichts trügerisch ist (Epheser 4,22-24).

 

Diese neuen Menschen, die unter der Leitung des Heiligen Geistes leben, brauchen Prinzipien, die ihnen einzuschätzen helfen, ob sie tatsächlich „nach seinem Bild … gerecht und heilig“ leben. Welche Prinzipien der Gerechtigkeit offenbarte der Heilige Geist durch die Propheten der Vergangenheit? Welche Prinzipien der Gerechtigkeit lehrte Jesus der Messias? Welche Eigenschaften der Wahrheit offenbart der Heilige Geist dem Bundesvolk heute? Wir werden kurz einige Morallehren betrachten, die durch den Propheten Mose sowie Leben und Worte Jesu des Messias offenbart wurden.

 

Ein großer Teil der Thora besteht aus Lehren über das richtige Verhalten und Gottesdienst, die Gott dem Propheten Mose offenbarte. Diese Prinzipien zu richtigem Verhalten sind in den Zehn Geboten zusammengefasst, die Gott dem Bundesvolk am Berg Sinai offenbarte (2. Mose 20,1-17). Zusammengefasst lauten diese Gebote folgendermaßen:

 

Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.

Du sollst dir kein Götterbild anfertigen.

Du sollst den Namen Gottes des HERRN, deines Gottes, nicht missbrauchen.

Halte den Ruhetag in Ehren, den siebten Tag der Woche.

Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.

Du sollst nicht morden.

Du sollst nicht die Ehe brechen.

Du sollst nicht stehlen.

Du sollst nichts Unwahres über deine Mitmenschen sagen.

Du sollst nicht versuchen, etwas an dich zu bringen, das deinem Mitmenschen gehört.

Überall erkennen die Christen diese Zehn Gebote Gottes an. Alle Christen sollten sich an die Prinzipien halten, die in den Zehn Geboten offenbart sind. Sie gründen auf dem Prinzip der Liebe zu Gott und den Mitmenschen.

Auch an anderen Stellen in der Tora offenbarte Gott, dass wir Gott und unseren Nächsten lieben sollten. (Deuteronomium , 6,4, Levitikus 19,18). Als Jesus der Messias erschien, erklärte er, dass das Gebot der Liebe das größte von allen Geboten sei; alle anderen Gebote der Bibel seien im Gebot der Liebe zusammengefasst. Jesus sagte, dass an diesem Gebot der Liebe „das ganze Gesetz und die Propheten [hängt]“ (Matthäus 22,40). Aus diesem Grund gebot Jesus seinen Jüngern, einander zu lieben (Johannes 15,12). Durch sein Leben und sein Reden lehrte Jesus die Menschen die Bedeutung der Liebe.

Jesus diente den Menschen, indem er sie heilte und ihre Nöte stillte. Er hieß die Jünger willkommen und vergab ihnen. Die Vergebungsbereitschaft, die er durch die Kreuzigung zum Ausdruck brachte, ist die höchste Offenbarung der Liebe. Allerdings sind es nicht nur seine Taten, in denen sich seine Liebe offenbart. Auch seine Worte sind hilfreich.

Bei einer Gelegenheit nahm Jesus seine Jünger auf einen Berg in der Nähe des Sees Genezareth mit, um sie die moralischen Prinzipien zu lehren, die sich auf Liebe gründen. Er erklärte ihnen, dass die wahre Gerechtigkeit von der inneren geistlichen Hingabe von Gott abhängt. Diese Worte werden die Bergpredigt genannt, die in Matthäus, Kapitel 5-7 aufgezeichnet ist.

Jesus der Messias begann die Bergpredigt mit den Worten: „Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich“ (Matthäus 5,3). Christen glauben, dass das Himmelreich „Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geist“ (Römer 14,17) ist. Jesus sagte, dass die „geistlich Armen“ das Himmelreich betreten und erben würden. Nur diejenigen, die erkennen, dass sie sündig sind, die erkennen, dass sie nicht in der richtigen Beziehung zu Gott leben, suchen Vergebung. Nur die „Armen“ erfahren Gottes rettende Gnade. Die geistlich Armen sind bereit, die Erlösung durch Jesus den Messias zu empfangen. Sie sind die bedürftigen Menschen, die ihr Leben der erneuernden Kraft des Heiligen Geistes öffnen. Sie sind diejenigen, die in das Himmelreich eingelassen werden.

Diese „geistlich Armen“ erfahren, dass ihre Standpunkte erneuert werden, und das erstreckt sich auf alle Beziehungen. Jesus gab konkrete Beispiele an, wie sich die Haltung von Menschen verändern sollte, die Einlass in das Himmelreich gefunden haben. Hier sind einige Beispiele.

 

 

Frieden (Matthäus 5,21-26)

In den zehn Geboten lesen wir: „Du sollst nicht morden.“ Jesus, der Messias lehrte jedoch, dass auch Hass verkehrt ist. Es ist der Hass, der Menschen zum Mord treibt. Wir müssen frei von böswilligen Einstellungen anderen Menschen gegenüber werden. Jesus sagte: „Ich aber sage euch: Schon wer auf seinen Bruder oder sein Schwester zornig ist, gehört vor Gericht (Matthäus 5,22)

Ehe (Matthäus 5,27-32)

Eines der Zehn Gebote sagt: „Du sollst nicht die eher brechen“ (Exodus 20,14). Jesus der Messias sagte jedoch, dass bereits das Verlangen nach einer anderen Frau als der eigenen eine Sünde ist. Er sagte: “Ich aber sage euch: Wer die Frau eines anderen begehrlich ansieht, hat in seinem Herzen schon die Ehe mit ihr gebrochen“ (Matthäus 5,28). Ehebruch macht die Ehe und den Ehebrecher kaputt. Ehebruch ist ein Übel. Aus diesem Grund sagt Jesus: „Wenn dich dein rechtes Auge verführen will, dann reiß es aus und wirf es weg! Es ist besser für dich, du verlierst eines deiner Glieder, als dass du ganz in die Hölle geworfen wirst. Und wenn die deine rechte Hand verführen will, dann hau sie ab und wirf sie weg! Es ist besser für dich, du verlierst eines deiner Glieder als dass du ganz in die Hölle kommst.“ (Matthäus 5,29-30).

Jesus lehrte auch, dass Scheidung falsch sei: “Ich aber sage euch: Wer sich von einer Frau trennt, außer sie hat ihrerseits die Ehe gebrochen, der treibt sie in den Ehebruch. Und wer eine Geschiedene heiratet, wird zum Ehebrecher“ (Matthäus 5,32). Scheidung ist von Übel, weil sie das Eins-Sein in der Ehe zerbricht, wie Gott es für den Menschen im Sinn hatte. Als Gott Adam und Eva erschuf, wurden sie „ein Fleisch“ (Genesis 2,24). In der Ehe eins zu sein, ein Fleisch zu sein, ist ein Wunder der Gnade Gottes. Scheidung zerstört das geheiligte Geschenk diese Eins-Seins in der Ehe. Jesus gebot: „Was Gott zusammengefügt hat, sollen Menschen nicht scheiden“ (Matthäus 19,6). Jesus sagte, dass es den Menschen im Alten Bund nur wegen ihrer Hartherzigkeit erlaubt gewesen sei, sich scheiden zu lassen (Matthäus 19,8). Unter den Menschen des Neuen Bundes, wo der Heilige Geist in den Gläubigen wohnt und die Gemeinde wahre Gerechtigkeit schafft, sollte niemals eine Scheidung stattfinden (Matthäus 5,31-32).

Die Bibel verbietet Polygamie an keiner Stelle ausdrücklich; trotzdem erlauben die meisten Kirchen sie ihren Mitgliedern nicht. Obwohl einige Gottesmänner im Alten Testament mehr als eine Frau hatten, wird keine dieser polygamen Ehen in der Bibel als ideal beschrieben, tatsächlich werden die meisten von ihnen als unglücklich geschildert. Polygamie zerstört dieses Eins-Sein als „ein Fleisch“. Ein Fleisch zu sein erfordert totale Loyalität gegenüber dem Ehepartner. Wenn ein Mann oder eine Frau mehrere Partner hat, zerstört das die tiefe, innere Bedeutung der Ehe, in der die Ehepartner ein Fleisch werden, der Ehemann sein Frau wie seinen eigenen Körper lieben und die Frau ihrem Mann tiefen Respekt entgegenbringen soll. Die Bibel gebietet dem Mann sogar, sich selbst in mitleidender aufopfernder Liebe für seine Frau hinzugeben, wie sich auch Christus in mitleidender, aufopfernder Liebe für die Kirche hingab (Epheser 5,21-33).

Wahrheitsliebe (Matthäus 5,33-37)

Das neunte Gebot sagt: „Du sollst nichts Unwahres über deinen Mitmenschen sagen“ (Exodus 20,16). Jesus der Messias erklärte, dass die innere Bedeutung dieses Gebotes darin liege, dass wir nicht einmal schwören sollten, weil diejenigen, die eine Schwur abgelegen, damit zu sagen scheinen, dass sie auch manchmal lügen könnten; sie sagen nur wirklich die Wahrheit, wenn sie schwören. Wahrhaftige Menschen haben es nicht nötig zu schwören, weil ihre Worte immer wahr sind. Wahrhaftige Menschen müssen nur „Ja“ oder „Nein“ sagen, und ihre Gefährten werden wissen, dass sie die Wahrheit gesagt haben.

Vergebungsbereitschaft (Matthäus 5,38-48)

Wir erwähnten bereist, dass Jesus lehrte, das größte Gebot sei die Liebe zu Gott und das zweitgrößte, deinen Nächsten so zu lieben wie dich selbst. Jesus der Messias lehrte, das Gebot der Liebe erfordere, dass wir unseren Feinden vergeben. Obwohl einige Lehrer sagten: „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, lehrte Jesus die Christen: „Liebt eure Feinde und betet für alle, die euch verfolgen“ (Matthäus 5,38.44). Er nannte konkrete Beispiele und sagte, dass man jedem, der einem das Hemd nehmen will, auch noch den Mantel geben sollte. Wenn jemand einem anderen eine Ohrfeige gibt, sollte man auch noch die andere Wange hinhalten. Wenn mein Feind eine Strafe verdient, ist das Gottes Sache; es ist nicht meine Aufgabe, meinem Feind Böses anzutun (Römer 12,1).

Hass und Gewalt bringen noch mehr Hass und Gewalt hervor. Wer sich an seinen Feinden rächt, stillt den Hass nicht. Nur Vergebung kann den Hass heilen. Nur Liebe kann den Hass zerstören. Wenn unsere Feinde wissen, dass wir sie lieben, werden sie vielleicht unsere Freunde. Wenn wir jedoch Gewalt gebrauchen, werden wir uns gegenseitig Schmerz zufügen, und der Hass zwischen uns wird wachsen.

 

Reichtum (Matthäus 6,19-349

Das zehnte Gebot sagt uns, dass wir nicht begehren sollen, was unser Nächster besitzt. Begehren bezeichnet das böse Verlangen etwas an uns zu nehmen, das einem anderen gehört. Unser Verlangen nach Reichtum und materiellen Gütern ist die Wurzel des Begehrens. Jesus lehrte uns, kein Vertrauen in Reichtum und Besitz zu setzen. Christen sollen nach Gerechtigkeit trachten, sie sollen zu allererst nach dem Reich Gottes trachten. Wenn wir Gott mehr als alles andere lieben, wird er sich all unserer Bedürfnisse annehmen. Jesus sagte. „Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden?....Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen“ (Matthäus 6,13.33).

Wir können hier nicht alles wiedergeben, was Jesus über diese Gerechtigkeit sagte. Der vielleicht erstaunlichste Teil seiner Predigt war folgender: „Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist“ (Matthäus 5,48, Luther 1984)! Wie können wir so gerecht wie Gott sein? Ganz gewiss ist diese Art der Gerechtigkeit nur möglich, wenn uns Gottes Geist neu nach dem Bilde Gottes erschafft. Wie Jesus sagte, können wir diese Neuschöpfung nur erleben, wenn wir geistlich arm werden, wenn wir unser Versagen, unser Sünde und die Notwendigkeit unserer Errettung eingestehen.

 

Zusammenfassung

„Als Jesus seine Rede beendet hatte, waren alle von seinen Worten tief beeindruckt. Denn er lehrte wie einer, der Vollmacht von Gott hat -- ganz anders als ihre Gesetzeslehrer“ Matthäus 7,28-29).

Christen sind Menschen, die die Autorität des Messias anerkennen. Sie unterwerfen sich Gottes Willen, indem sie Jesus als Herrn und Erretter anerkennen. Sie sind Jünger (Nachfolger) Jesu. Die ersten Christen sagten von denen, die Jesus als ihren Herrn bekannten, das sei den „Weg Gottes“ Apostelgeschichte 18,26) gingen. Selbst heute gehen diejenigen, die Jesus nachfolgen, den „Weg Gottes“. Das ist der Weg der Liebe, der Weg, den Jesus der Messias lebte.

 

 

EINE MUSLIMISCHE ENTGEGNUNG

Die christliche Kirche besitzt im Unterschied zum Umma kein System von allgemeingültigen Vorschriften für richtiges Verhalten. Es ist die nachdrücklich vorgebrachte Meinung der Christen; dass die Liebe, die in ihrer Lehre eine zentrale Rolle spielt, nicht auf ein Regelwerk reduziert werden kann. Muslime allerdings, die sowohl ein allgemeingültiges göttliches Gesetz wie auch ein immerwährendes System von offenbarten moralischen Werten besitzen, vertreten die Meinung, dass der Mensch in seiner Unvollkommenheit und seinem begrenzten Wissen jederzeit durch dieses Gesetz und diese moralischen Werte geleitet werden muss. Auch wenn dem Menschen aufgetragen ist, Gerechtigkeit zu üben, weiß er nicht, wie er dies anfangen soll. Deshalb liefert ihm das göttliche Gesetz alle Einzelheiten zu der Frage, wie er in jedem Einzelfall Gerechtigkeit und Barmherzigkeit üben soll.

Auf der anderen Seite ähnelt das System der moralischen Werte, auf dem christliches Verhalten basiert, dem muslimischen, auch wenn im Christentum die Liebe jeden anderen moralischen Wert überflügelt. Diese Überbetonung der Liebe in allen Aspekten des christlichen Lebens, hat aus muslimischer Sicht immer wieder das christliche Verhaltensideal eher zu einer Theorie als zu eine gängigen Praxis gemacht

Eine praktische Frage, in der sich Christen und Muslime schmerzlich unterscheiden, dreht sich um Ehe und Scheidung. Die Ehe im Islam ist ein Vertrag zwischen einem Mann und Frau, der in Gottes Namen geschlossen wird und deshalb eine heilige Institution darstellt. Alles sollte getan werden, um diesen geheiligten Vertrag zu halten.

Wenn allerdings ernsthaft Hindernisse in einer Ehe auftauchen, die auch durch eine Versöhnung nicht überwunden werden können, dann erlaubt der Islam in seinen praktischen Ausführungsbestimmungen die Scheidung (talaq). Die Scheidung sollte nur die letzte Losging darstellen. Der Prophet Muhammad (Fsmi) sagte: „dass von allen Dingen die vom Gesetz erlaubt sind, die Scheidung das Hassenswerteste in den Augen Gottes“ sei. [Überliefert vom Sohn Omars, Abu Dawud und Hakim, Fiqhi Sunna, Band 11 (Beirut: Sayyid Sabiq, Dar al-Kitab al-’Arabi), S. 241.] Wiederum ermahnt der Koran: „Wenn sie euch dann gehorchen, so sucht gegen sie keine Ausrede“ (Koran 4:34). Der Islam würde unglückliche, treulose, lieblose, stagnierende Ehen nicht tolerieren. Aus diesem praktischen Grund ist die Scheidung gestattet.

Ähnlich wird Vergebung als eine hohe moralische Tugend des Islam empfohlen, aber sie muss auch tatsächlich praktikabel sein. Im Islam steht jemandem, dem ein Unrecht zugefügt wurde, die Freiheit zu, es dem Schuldigen heimzuzahlen, indem er ihn zur Rechenschaft zieht oder ein Strafe mit ihm aushandelt. Er hat außerdem das Recht, dem Täter zu verzeihen und Allah die Folgen seines Handelns anzuvertrauen. Der Koran sagt:

Die Vergeltung für eine Übeltat soll ein Übel gleichen Ausmaßes sein; dessen Lohn aber, der vergibt und Besserung bewirkt, ruht sicher bei Allah. Wahrlich, Er liebt die Ungerechten nicht. (Koran 42:40)

In einem anderen Vers steht: „Und wetteifert nach der Vergebung eures Herrn und nach einem Garten…der für die Gottesfürchtigen vorbereitet ist, die …den Groll unterdrücken und den Menschen vergeben. Und Allah liebt die Rechtschaffenen“ (Koran 3:133-134).

Im Islam gibt es praktisch weder das eine Extrem „Auge um Auge“ noch das andere, dass man nämlich dem anderen die linke Wange hinhält, wenn man auf die rechte geschlagen wird. Es kommt nicht vor, dass man seinem Bruder, der einem das Hemd weg genommen hat, auch noch die Hose gibt!

Aus: Kataregga und David W. Shenk, Woran ich Glaube. Ein Muslim und ein Christ im Gespräch. (Schwarzenfeld: Neufeld Verlag, 2005) S. 227-236.

(Reproduktion des Textes hier mit der Erlaubnis des Verlegers, Herrn David Neufeld)

Kontakt

J. Prof. Dr. T. Specker,
Prof. Dr. Christian W. Troll,

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Offenbacher Landstr. 224
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