Gebet
I. Muslime fragen
- Wie betet Ihr? Wo und wann betet Ihr? Wie oft täglich?
- Vollzieht Ihr rituelle Waschungen vor dem Gebet?
- Beten auch Frauen?
- Betet Ihr immer oder nur bei besonderen Anlässen?
- Habt Ihr besondere Gebete für die großen liturgischen Feste?
- In welcher Sprache betet Ihr?
- Was sind die Grundhaltungen beim Gebet? Was bedeutet das Kreuzzeichen?
- Warum betet Ihr? Weil Gott es befohlen hat? In Treue zu religiösen Vorschriften? Um in das Paradies zu kommen? Weil Ihr Euch dann besser fühlt?
- Was sagt Ihr in Euren Gebeten? Welche Texte benützt Ihr? Die Bibel?
- Für wen betet Ihr? Könnt Ihr für uns beten?
- Können wir an Euren Gebeten teilnehmen? Können wir gemeinsam beten? Welche Texte sollten wir in diesem Fall benutzen?
- Ist es erlaubt, ein muslimisches Gebet in einem christlichen Gotteshaus zu verrichten?
- Ist es möglich, einen muslimischen Gebetsraum innerhalb eines christlichen Gebäudes einzurichten?
II. Muslimische Sicht
Allgemein
Die Worte „Gebet“ und „beten“ sind vieldeutig und drücken in den westlichen Sprachen nicht dasselbe aus wie im Arabischen. Der umgreifende Begriff im Arabischen für Gebet ist ’ibâda, Gebet als der hervorragende Dienst des Dieners seinem Herrn gegenüber. Das Arabische unterscheidet ferner zwischen salât, dem täglich zu den bestimmten Zeiten vorgeschriebenen rituellen Gebet, und Weisen des freien, persönlichen oder privaten Gebets wie z. B. du’â (Anrufung, Bittgebet), bzw. dem Bittgebet oder munâdschât, Gebet vertraulicher Zwiesprache mit Gott oder dhikr, Gebet des Gottgedenkens. Folglich gibt es einen Unterschied zwischen „das Gebet verrichten“ und „beten“. Wenn ein(e) Muslim(a) Fragen über das Gebet stellt, denkt sie/er ganz spontan an das vorgeschriebene, „kanonische“ Gebet (salât), ein öffentliches und oft gemeinsam vollzogenes Gebet mit ganz bestimmten Vorschriften. Jede andere Gebetsform ist von geringerer Bedeutung.
Dagegen denkt der Christ zunächst eher an Gebet als eine Einstellung des Geistes und Herzens und nicht unbedingt gleich an ein Gebet in ritueller Form. Wenn daher ein Muslim sagt: „Ich bete nicht“, dann will er damit sagen: Ich vollziehe das vorgeschriebene rituelle Gebet nicht regelmäßig. Dabei kann es durchaus sein, dass diesem Muslim Gott oft in Gedanken gegenwärtig ist und Gott immer wieder in seinen Gesprächen auftaucht. Wenn ein Christ das kirchliche Stundengebet betet, so kommt dies aufgrund der festgelegten liturgischen Abfolge dem muslimischen Gebet (salât) nahe. Im Islam gehören vertieftes Beten, Meditieren oder ausgedehntes geistiges, inneres Beten ohne Worte eher zur „Richtung“ der Mystik und zu Gebetsweisen der religiösen Bruderschaften.
Gebet in der Bedeutung von rituellem Gebet (salât) – so kommt es Muslimen jedenfalls vor – wird von den Christen nicht regelmäßig praktiziert. Der „westliche“ Mensch wird als jemand wahrgenommen, „der nicht betet“, weil er „materialistisch“ eingestellt ist. Der Muslim dagegen betet regelmäßig, öffentlich und ohne Furcht davor, was die Menschen dazu sagen, und bezeugt damit seine Zugehörigkeit zur muslimischen Gemeinschaft. Das muslimische Bewusstsein der Transzendenz Gottes gibt dem rituellen Gebet im Islam eine Aura von Sakralität: Dabei kommt dem genauen Einhalten der detaillierten Vorschriften des Rituals eine wesentliche Bedeutung zu (rituelle Waschungen, Körperhaltungen, Sprechweisen – laut, leise, inwendig). Im Christentum hat das Gefühl, dass „Gott unter uns wohnt“, zu einer gewissen Familiarität in der Beziehung zu ihm geführt, zu einer Freiheit im Stil, die so weit geht, dass sie als fehlende Ehrfurcht gegenüber Gott ausgelegt werden kann.
Zugespitzt könnte man sagen: Der Islam misst der äußeren Form des Gebets große Bedeutung bei, während im Christentum eher die innere Ausrichtung des Betens stark betont wird.
Im Einzelnen
Das Wort „Gebet“ bezeichnet im Islam bestimmte religiöse Handlungen:
1. Das „kanonische“, rituelle Gebet (salât)
Salât ist der zweite Pfeiler des Islam. Es ist rituelles Gebet und wesentlicher Bestandteil des Gottesdienstes der Muslime. Nach muslimischem Verständnis sind in ihm alle Formen der Zuwendung zu Gott und zu der Gemeinschaft enthalten. Der Betende steht in dem großen Kreis weltweit Glaubender über Kontinente, Kulturen und Zeitalter hinweg und findet sich gemeinsam mit anderen Muslimen trotz möglicher Meinungsverschiedenheiten zum rituellen Gebet zusammen. Das Gebet selbst vereint viele Aspekte der Zuwendung zu Gott. Es ist Rezitation und Hören, Meditation, Bewusstwerden der Gegenwart Gottes; inhaltlich ist es an erster Stelle Lob und Dank, dann auch Bitte um Vergebung und Segen, gegebenenfalls Klage, Fürbitte usw. Um dieser Bedeutung willen ist das rituelle Gebet möglichst genau in seinem Ablauf festgelegt worden. Es orientiert sich an Koran, Hadisen und den Rechtsvorschriften, die die juristischen Schulen auf ihrer Grundlage ausgearbeitet haben.
Das rituelle Gebet wird fünfmal täglich ausgeführt, zu vorgeschriebenen Zeiten (viele muslimische Kalender enthalten auch einen Zeitplan für das Gebet, mit minutiöser Präzision, gleichzeitig aber möglicher Anpassung bei Notwendigkeit) beim Morgengrauen (subh), bei Tagesmitte (zuhr), am Nachmittag (’asr), bei Sonnenuntergang (maghrib) und während der Nacht (’ischâ). Der Ruf zum Gebet (âdhân), der vom mu’addhin vom Minarett verkündet wird, hat als primäre Funktion, an die genaue Gebetszeit zu erinnern. Er bringt einen bestimmten Rhythmus ins Leben der muslimischen Städte.
Das Gebet wird, wenn möglich, gemeinsam verrichtet. Der ideale Gebetsort ist die Moschee. Die Betenden stehen in Reihen hinter dem Imam, der den Rhythmus des Gebets bestimmt. Das Gebet kann auch einzeln oder in kleinen Gruppen außerhalb der Moschee verrichtet werden, grundsätzlich überall, immer jedoch an einem rituell reinen Platz. Dieser kann markiert werden durch einen Teppich oder ein Tuch oder sauberes Papier auf dem Boden oder durch einen aus Steinen geformten Kreis. Jedenfalls muss sich der rituell Betende nach Mekka ausrichten, soweit die Richtung feststellbar ist. Die Gebetsrichtung (qibla) wird in den Moscheen durch den mihrâb, der nach Mekka ausgerichteten Gebetsnische, angezeigt. Die Ausrichtung aller Betenden hin auf die Kaaba in Mekka unterstreicht die weltweite Einheit der muslimischen Gemeinschaft. Bevor man ins rituelle Gebet eintritt, muss man die vorgeschriebenen Waschungen vollziehen. Dies geschieht gewöhnlich mit Wasser. Ist dies nicht vorhanden oder nicht verwendbar, so soll eine symbolische Reinigung mit Sand vollzogen werden. Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen der Vorschrift, den ganzen Körper zu waschen (ghusl), und der Vorschrift teilweiser Waschung des Körpers (wudû’). Erstere ist durchzuführen, wenn sich die Person im Zustand größerer Unreinheit befindet (dschanâba). Dies ist der Fall nach Sexualverkehr, einschließlich dem ehelichen, oder nach Kontakt mit einem Leichnam. Die zweite, die teilweise Waschung ist durchzuführen im Falle einer kleineren Verunreinigung (hadath). In diese gerät man durch irgendeine Exkretion des Körpers (Kot, Urin, Eiter usw.). Hier werden Hände, Mund, Nase, Gesicht, Vorderarme, Kopf, Ohren, Hals und Füße gewaschen. Die Kleider müssen rein sein, am wichtigsten aber ist die Reinheit des Herzens. Es ist aufschlussreich, die islamischen Vorschriften mit ähnlichen im Alten Testament zu vergleichen (Ex. 30; Lev. 18; Deut. 21; 23).
Nach der Waschung muss man die Intention zu beten aussprechen (niyya) und durch das Sprechen der Formel: „Allâhu Akbar! (Gott ist der Größte)“ und die Rezitation der den Koran eröffnenden Sure, der Fâtiha(40), in den Sakralzustand eintreten. Jedes rituelle Gebet besteht aus 2–4 liturgischen Einheiten, rak’a genannt. Diese umfassen eine Zeit des aufrechten Stehens (wuqûf), Sichverbeugens (rukû’), Sichniederwerfens (Prostration; sudschûd) sowie des Sitzens auf den Fersen (dschulu¯s), wobei jede dieser Körperhaltungen von besonderen und passenden Gebeten begleitet wird. Das Gebet beim Morgengrauen hat 2 rak’as, das Gebet zum Sonnenuntergang hat 3, während das Mittagsgebet, das Nachmittagsgebet und das Abendgebet aus je 4 rak’as bestehen. Das rituelle Gebet umfasst die Rezitation von einigen kurzen Kapiteln (Suren) des Koran, gefolgt von Begrüßungen Gottes (tahiyyât), des Propheten und aller muslimischen Gläubigen. Es folgen das Glaubenszeugnis (schahâda) und die Segensgebete über Muhammad und Abraham. Das ganze Ritual dauert jeweils nicht länger als 5–10 Minuten, es sei denn, man fügt längere Korantexte oder Fürbittgebete ein.
Jede Woche findet am Freitag um die Mittagszeit das feierliche Gebet der Gemeinschaft statt (salât al-dschum’a). Das Ritual ist dasselbe wie bei den täglichen Gebeten, erweitert durch ausführlichere Segensrufe (tahiyyât) und besonders durch die Predigt (khutba), die vom Imam gehalten wird oder von einem Muslim, der die nötige Fähigkeit dazu besitzt. Darüber hinaus gibt es besondere Rituale anlässlich größerer Feste: insbesondere für die zwei wichtigsten Feste, das Opferfest, auch das Große Fest genannt (’Idul adha bzw. ’Idul kabîr), und das Fest des Fastenbrechens am Ende des Fastenmonats Ramadan (’Idul fitr), das Fest der Geburt des Propheten (al-mawlid al-nabawî), für ’Aschûra und während der Nächte des Monats Ramadân. Auch seien noch die eindrucksvollen, besonderen begleitenden Gebete während der großen oder kleinen Wallfahrt erwähnt.
Das salât Gebet ist vor allem ein Akt der Anbetung, des Lobes und der Dankbarkeit gegenüber Gott. Es wird ausgeführt in der Haltung des Gehorsams gegenüber Gottes Gebot. Geistliche Autoren wie Muhammad al-Ghazâli (1058–1111) betonen folgende Elemente als wesentlich: Reinheit des Herzens, Aufmerksamkeit auf Gottes Gegenwart, verehrungsvolle Gottesfurcht (taqwa), Hoffnung und Bescheidenheit und den ehrlichen Willen, sich zu verbessern.
Es gibt außerdem rituelle Gebete zu besonderen Anlässen (Gebet um Regen, bei Naturkatastrophen und Trauerfällen). Freiwillige rituelle Gebete (nawâfil) werden im Fastenmonat und während der Nacht vollzogen (Sure 17,76).
2. Andere Gebete
Der Sufismus und seine religiösen Bruderschaften (tarîqa, pl. turuq) haben die Übung des Gottgedenkens (dhikr) entwickelt, das im wesentlichen die Erwähnung und Feier des Namens Gottes ist, im Einklang mit Sure 2,152; 3,41. Das ständige Wiederholen des Gottesnamens – ob es nun allein oder in Gemeinschaft vollzogen wird – trägt wesentlich dazu bei, Herz und Denken des Gläubigen ganz und gar mit dem Gedenken an den Namen Gottes zu durchdringen. Traditionell gibt es drei Stufen des dhikr: das dhikr der Zunge (mündliches Aussprechen des Namens Gottes), das dhikr des Herzens (hier ist es nicht mehr der Mund, sondern das Herz, welches den Rhythmus des Aussprechens bestimmt) und das dhikr der Intimität (sirr), in welchem der ganze Körper und die Seele des Gläubigen vibrieren bei der Rezitation des Namens Gottes. Sufis und Bruderschaften sind auch vertraut mit Meditation (fikr und ta’ammul), täglichem wortlosem Gebet (wird) und responsorialen Litaneien (hizb).
Alle diese Gebetsformen werden ebenfalls nach Ritual und Text streng reguliert. Die Texte sind oft sehr beeindruckend. Sie überlassen allerdings nichts der persönlichen Initiative. Der Vollzug des Rituals wird dem Beter sehr ans Herz gelegt und muss unter der Leitung eines Sufimeisters (scheikh; pîr) vollzogen werden.
Auch die Rezitation der „99 schönsten Namen Gottes“ (Sure 20,8; 17,100) ist zu erwähnen. Sie werden von frommen Muslimen mittels der Gebetsperlenketten (subha; tasbiha) meditierend rezitiert.
Ebenfalls ist von Bedeutung, dass Muslime in besonderen Lebenslagen und in Notsituationen Korantexte meditieren und dadurch Stärkung erfahren.
Schließlich gibt es zahlreiche spontane Gebete, nicht zuletzt die vielen Anrufungen, die Muslime – vor allem einfache Gläubige – bei allen möglichen Anlässen äußern: Lob (al-hamdu lillâh – gelobt sei Allah), Bewunderung (mâ shâ’ Allâh – was [bzw. soviel, solange] Gott will), Bitten um Vergebung (astaghfir Allâh – ich bitte Gott um Verzeihung!), Bitte um Heilung (Allah yashfi – möge Gott heilen!) oder Ausdruck von Missbilligung und Empörung (la hawla wa la quwwata illâ bi-llâh al-’azîm! – es gibt keine Macht noch Stärke als bei Gott).
Muslimische Theologen haben zuweilen heftig darüber diskutiert, ob das Bittgebet mit dem islamischen Gesetz konform sei und welcher Stellenwert ihm zugemessen werden solle. Da Gott alles wisse, könne kein Gebet seinen mächtigen Willen ändern. Es herrscht jedoch unter Muslimen die Übereinstimmung vor, dass du’â Gott gefällig und somit wünschenswert ist. Gott selber habe doch den Gläubigen eingeladen, Bittgebete zu sprechen (vgl. Sure 2,186; 3.86; 13,14), und er habe versprochen, sie zu erhören (Sure 2,186; 40,60). Er sehe alles von Ewigkeit her voraus und er erhöre es in seiner Güte aus freien Stücken. Die Mu‘taziliten mit ihrem Hang zum Rationalismus waren der Meinung, dass Bittgebete keinerlei Wirkung haben, dass sie jedoch nützlich seien, um die Menschen zu einer angemesseneren Haltung Gott gegenüber zu erziehen, einer Haltung, die der eines armen Knechtes (’abd faqîr) entspricht. Bittgebet ändert Gott nicht, es ändert den Menschen.
3. Gebet und Tat
Die Echtheit des Gebets erweist sich im Verhalten zum Nächsten, besonders im Einsatz für die Gerechtigkeit und die Sorge für die Armen:
„Frömmigkeit besteht nicht darin, dass ihr euer Gesicht nach Osten oder Westen wendet. Frömmigkeit besteht darin, dass man an Gott, den Jüngsten Tag, die Engel, das Buch und die Propheten glaubt, dass man, aus Liebe zu Ihm, den Verwandten, den Waisen, den Bedürftigen, dem Reisenden und den Bettlern Geld zukommen lässt und es für den Loskauf der Sklaven und Gefangenen ausgibt, und dass man das Gebet verrichtet und die Abgabe entrichtet …“ (Sure 2,177).
III. Christliche Sicht
Gebet meint die Hinwendung zu Gott, der sich dem Menschen mitteilt. Diese Hinwendung kann sich in vielfältigen Weisen vollziehen und ausdrücken: in mündlichem Gebet, Meditation, Musik mit und ohne Textinterpretation, intensiver Bewegung des Körpers bis hin zum Tanz, bildender Kunst, wie sie in Gemälden, Altarbildern, Heiligendarstellungen, den Ikonostasen der orthodoxen Kirche(41), in Glasfenstern und Statuen ihren Ausdruck findet. Ferner gehören hierher Anregungen der Sinne z. B. durch besondere Raumgestaltung oder den Gebrauch von Weihrauch in der orthodoxen und katholischen Kirche. Im Folgenden liegt der Akzent auf dem mit Texten verbundenen Gebet, sei dies nun laut, leise oder inwendig gesprochen.
Seinen Ursprung hat das christliche Gebet in der Gebetspraxis Jesu mit ihren jüdischen Wurzeln und in dem, was er über das Gebet gesagt hat.
1. Jesus hat gebetet, und er hat uns gelehrt zu beten
Die Evangelien erzählen häufig von Jesu Gebet. Jesus liebte es, sich zurückzuziehen, um allein zu beten. Er verbrachte manchmal die ganze Nacht im Gebet, besonders vor großen Entscheidungen und Wendepunkten in seinem Leben. Z. B. zog er sich vor dem Beginn seines öffentlichen Lebens in die Wüste zum Gebet und Fasten zurück und betete vor seiner Passion. Er lebt in ständiger Vereinigung mit Gott dem Vater, vom Verlangen beseelt, eins zu sein mit seinem Willen. Jesus wurzelt mit seinem Gebet tief im Judentum und in dessen Heiliger Schrift. Er nimmt Worte aus dem Gebetbuch der Schrift, dem Psalter, direkt auf oder formuliert frei. Er unterrichtet seine Jünger in der Gebetspraxis. Das persönliche Gebet soll ohne viel Umstände und ganz ungekünstelt geschehen und auf jeden Fall leere Worte und Formeln vermeiden (vgl. Mt. 6,5–7). Auf die ausdrückliche Bitte seiner Jünger hin gibt er ihnen das Gebet des „Vater Unser“. „Vater“, weil Gott uns als seine Kinder liebt; „unser“, weil jedes Gebet, selbst persönliches, in Gemeinschaft mit anderen vollzogen wird. Auf diese Anrufung folgen drei Bitten mit Blick auf Gott und drei Bitten mit Blick auf den Menschen.
Vor seinem Leiden feierte Jesus ein letztes Mahl, aus dem sich nach Ostern das christliche Abendmahl oder die Eucharistie als Gedächtnisfeier entfaltet hat. Dies ist das Sakrament der totalen Selbsthingabe an den Vater für das Heil der Welt, und der realen Gegenwart – wenn auch unsichtbar und immateriell – des Auferstandenen Christus unter uns. Folglich ist das christliche Gebet, genauso wie das Gebet Jesu, vor allem Anbetung des Vaters, Lob, Danksagung, Selbsthingabe, Bitte um Verzeihung, Hilfe und Hoffnung.
Wie beim islamischen Gebet unterscheiden wir auch im christlichen Bereich liturgisches Beten von privatem, persönlichem Gebet. Dabei kommt dem persönlichen Gebet eine sehr große Bedeutung zu. Das Gebet wird gleichermaßen von Männern und Frauen verrichtet. Im katholischen und orthodoxen Bereich werden nur Männer ordiniert, der Eucharistiefeier vorzustehen.
2. Liturgisches Gebet
Dies ist ein gemeinsames Gebet mit vorgeschriebenen Ritualen und Texten. Die Eucharistie (von Katholiken auch Heilige Messe genannt) steht im Zentrum des christlichen Gebets und Lebens. Im katholischen Bereich steht ihr immer ein Priester vor, sie kann täglich gefeiert werden und zwar zu Tageszeiten, die der freien Wahl überlassen sind. An Sonntagen, d. h. an dem Tag, an dem die Christen in besonderer Weise des auferstandenen Herrn gedenken, wird die Eucharistie besonders feierlich begangen. In der Katholischen Kirche kann diese Sonntagsliturgie auch schon am Samstagabend gefeiert werden.
Die Eucharistie umfasst einen einleitenden Wortgottesdienst mit Lesungen aus der Schrift, immer auch einen Ausschnitt aus einem der vier Evangelien, gefolgt von einer Homilie oder Predigt, und dem so genannten „Allgemeinen Gebet“. Dann folgt die Bereitung von Brot und Wein, das Hochgebet mit den Einsetzungsworten, das „Vater Unser“ und das heilige Mahl, d. h. die Kommunion, in der die Gläubigen unter den Gestalten von Brot und Wein Jesus Christus selbst empfangen.
So ist die Eucharistie das große Gebet des Dankes (daher auch die Bezeichnung Eucharistie, griechisch = Dank), der Anbetung und des Lobes der christlichen Versammlung, Teilhabe am Wort Gottes und Vereinigung mit Jesus Christus, der in Brot und Wein seine reale Gegenwart schenkt und so die Gläubigen für ihren Lebensweg stärkt.
Für klösterliche Gemeinschaften und Priester, seltener für Laien ist in der Katholischen Kirche das liturgische Stundengebet von großer Bedeutung. Es enthält eine Folge von Gebeten und Lesungen aus der Bibel und den Kirchvätertexten. Es schließt die Rezitation von Psalmen, Hymnen, Responsorien und Bittgebeten ein. In Klöstern wird es sieben Mal täglich rezitiert oder gesungen: am Morgen, am Mittag, am Abend und während der Nacht. Es kann auch individuell gebetet werden. Auch bei evangelischen Gemeinschaften ist das Gebet von zentraler Bedeutung.
Der Empfang der Sakramente (Taufe, Eucharistie; im katholischen Raum zusätzlich Firmung, Buße, Ehe, Priesterweihe, Krankensalbung) geschieht in liturgischen Feiern. Auch Gebete für Regen, für eine gute Ernte, für eine gelungene Geburt etc. werden vielerorts, regionalen Traditionen folgend, liturgieartig vollzogen; ebenso Gebete anlässlich von Wallfahrten.
3. Persönliches Gebet
Das persönliche Gebet wird von einer Person oder einer Gruppe von Personen vollzogen, wie z. B. das Familiengebet am Abend. Es ist frei in seiner konkreten Ausdrucksform, wie überhaupt Flexibilität in der Gestaltung ein wesentliches Kennzeichen des christlichen Gebetes ist. Privates und öffentliches Gebet ergänzen einander und stehen nicht miteinander in Konkurrenz. Beide entsprechen der Einladung Jesu, ohne Unterlass zu beten (Mk 13,33; Lk 18,1–8; 21,36; vgl. Kol 1,9; 1 Thess 5,17; 2 Thess 1,11).
Für das persönliche Gebet können neben der völlig freien Formulierung auch Gebete der Kirche wie das „Vater Unser“, die Psalmen, im katholischen Raum auch das „Gegrüßet seist Du, Maria“, oder andere Gebete gebraucht werden, laut oder still. Das tun viele Christen, besonders am Morgen und am Abend, oder wenn sie einen „Besuch“ machen in einer Kirche oder Kapelle. Viele Katholiken beten auch den Rosenkranz, bei dem abwechselnd das „Vater Unser“ und das „Gegrüßet seist Du, Maria“ rezitiert wird, während eines der „Geheimnisse“ des Lebens Jesu im Mittelpunkt der Betrachtung steht. Manche rezitieren den Rosenkranz wenigstens einmal am Tag.
Christen, die ihr Gebetsleben vertiefen möchten, nehmen sich möglichst täglich Zeit für Meditation und Kontemplation. Stehend, kniend, sitzend oder liegend konzentrieren sie sich schweigend an einem heiligen Ort oder daheim auf Gott, um seiner Gegenwart bewusst zu werden und auf sein Wort zu hören. Treue zu dieser Praxis der regelmäßigen Aufmerksamkeit und des Hinhörens auf das Wort der Schrift, die durch „Meditationsmethoden“ gefördert werden können, ist ein wirksamer Weg zu wachsen in der Nähe zu Gott. Das kann nach katholischer Überzeugung bis zur gnadenvollen Erlangung mystischer Gaben führen, sei es in monastischer Abgeschiedenheit oder mitten im alltäglichen Leben. Außerdem unterziehen sich Christen, die Jesus intensiv folgen wollen, von Zeit zu Zeit geistlichen Übungen, in Schweigen und Gebet, sei es an einem Tag im Monat oder während einer Woche im Jahr.
4. Der Adressat des Gebetes
Das Gebet wendet sich an Gott. Wir beten zu ihm vermittelt durch Jesus Christus im Heiligen Geist. Wenn wir uns an Jesus wenden, so ist hier das zu beachten, was unter Anfrage5: Gott, der Dreieine, ausgeführt ist. Wir beten dann in und mit Jesus in der Kraft des Hl. Geistes Gott selbst an.
Die Bittgebete zu den Heiligen im katholischen Raum gehen von der Voraussetzung aus, dass sie Fürsprecher für uns bei Gott sind.(42) Die Ausrichtung des Gebets auf Gott, der allein anbetungswürdig ist, bleibt gewahrt.
5. Die Bedeutung des Gebets
Gebet ist bestimmt von der Grundhaltung der Anbetung, des Dankes und der Bitte um Hilfe für sich selbst und für andere. Durch das Gebet werden wir angeleitet, den Willen Gottes in jedem Augenblick zu suchen. Es ist eine Quelle der Kraft, des Friedens, der Freude und Fruchtbarkeit.
Hilfreich sind bestimmte Gebetszeiten. Diese Gebetszeiten werden unbewusst andere Lebensbereiche befruchten, so dass schließlich das ganze Leben Gebet wird. Umgekehrt wird ein Leben der echten Hingabe unser Gebet fördern. So wird das Gebet unsere Freuden und Sorgen durchdringen. Gebet ist nicht ein Weg, dem Leben zu entfliehen. Das Gebet ermöglicht es einem Menschen, die Zeichen der Gegenwart Gottes in persönlichen und gemeinsamen Ereignissen des Lebens zu erforschen und bei Entscheidungen nach dem Willen Gottes zu fragen. Gebet ist die Kraft des Lebens, beeinflusst unsere Haltung zu uns selbst und zu unserem Nachbarn, durchdringt das Herz (siehe 1 Kor 13).
6. Die Vielfalt des christlichen Gebetes
Das christliche Gebet hat sich über die Jahrhunderte gewandelt und die verschiedensten Formen in Raum und Zeit angenommen, gemäß der jeweiligen kulturellen Eigenart der zahlreichen Völker. Die Anpassung an die jeweilige Kultur ist ein spannungsvoller, aber notwendiger Prozess, der auch zu neuen Formen des Gebetes führen kann. Das gilt besonders in muslimischen Ländern. Dort versuchen Christen, den Reichtum der geistlichen Erfahrung dieser Völker zu integrieren und ihn in die Sprache des Gebets zu übersetzen.
IV. Christen antworten
1. Es ist zu beachten, dass die Bedeutung der Worte „Gebet“ und „beten“ im Deutschen und Arabischen verschieden sein können (vgl. oben unter I.).
2. Man vergleiche nur, was vergleichbar ist: die salât, d. h. das liturgische Beten der Muslime mit dem liturgischen Gebet der Christen (z. B. Eucharistie und Stundengebet). Hier sind formale und gemeinschaftliche Charakteristika, Gebetshaltungen und der melodische Vortrag, der zu ihnen gehört, und ferner ihr täglicher und wöchentlicher Vollzug vergleichbar. Dem islamischen Bittgebet entsprechen Anrufungen und persönliche Gebete in der christlichen Gebetspraxis, dem islamischen Gottgedenken der Muslime (dhikr) Formen der Kontemplation.
3. Man beachte die dem christlichen und muslimischen Gebet gemeinsamen Elemente. Hierzu gehören
– die gleiche Bedeutung und gleichen Ziele, wie Anbetung und Danksagung;
– die fast gleiche zeitliche Organisation während des Tages und der Woche;
– Ähnlichkeit der Texte, wie die Psalmen, die Muslimen eventuell leichter zugänglich sind;
– bestimmte Körperhaltungen.
4. Man vermeide es, die „Formalität“ des muslimischen Gebets der „Innerlichkeit“ des christlichen Gebetes gegenüberzustellen. Natürlich liegen die Akzente im christlichen und muslimischen Gebet jeweils etwas anders, beide haben jedoch von ihrem Wesen her eine innerliche sowie eine äußerliche Dimension. Die liturgische äußere Form ist für Christen nicht weniger wichtig wie für die Muslime.
5. Was das Fehlen ritueller Waschungen vor dem Gebet der Christen angeht, so war vor der Zeit Jesu die gesetzliche und kultische Reinheit in der jüdischen Religion ebenso strikt vorgeschrieben, wie sie es heute im Islam ist. Jesus wandte sich in der Tradition der großen Propheten gegen den Formalismus und forderte zu echtem Gebet und intakten menschlichen Beziehungen auf. „Begreift ihr nicht, dass alles, was durch den Mund (in den Menschen) hineinkommt, in den Magen gelangt und dann wieder ausgeschieden wird? Was aber aus dem Mund herauskommt, das kommt aus dem Herzen, und das macht den Menschen unrein. Denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, falsche Zeugenaussagen und Verleumdungen. Das ist es, was den Menschen unrein macht; aber mit ungewaschenen Händen essen macht nicht unrein“ (Mt 15,17–20; vgl. Mk 7,14–23). Besonders gilt: Für Jesus und damit für die christliche Religion ist die Sexualität eine der guten Gaben Gottes, sie verursacht keine Verunreinigung, weder für den Mann noch für die Frau. Allerdings ist der Christ aufgerufen, sie human und verantwortlich zu gestalten.
6. Es ist Pflicht des Christen, den Respekt, der Gott gebührt, hinreichend zum Ausdruck zu bringen. In der katholischen Kirche sind z. B. der Brauch, sich beim Eintritt in eine Kirche oder Kapelle mit geweihtem Wasser zu bezeichnen oder das Waschen der Hände während der Messfeier Symbole für die Reinheit des Herzens. Der Nachdruck liegt jedoch auf der Reinheit des Herzens, wie es z. B. der Bußakt am Beginn der Feier der Eucharistie zum Ausdruck bringt.
7. Christen beten für die Kirche, die politisch Verantwortlichen und für alle Menschen, auch für sich selbst. Sie beten für die Nahestehenden und für Menschen, für die sie Verantwortung tragen. Sie sollten lernen, häufig und aus ganzem Herzen für ihre muslimischen Nachbarn zu beten. Sie sollten dann auch ihre muslimischen Freunde darum bitten, ihrerseits für sie zu beten. Damit würden Christen und Muslime ihre Verbundenheit vor Gott zum Ausdruck bringen.
8. Für das gemeinsame Beten von Christen und Muslimen gibt es verschiedene Möglichkeiten:
a) Öffentliche Gottesdienste der Kirche. Es sollte keinen Einwand dagegen geben, dass Muslime unsere Kirchen und andere Räume des Gebetes für einen Besuch und stilles Gebet aufsuchen oder gar, auf Wunsch, als stille Gäste offiziellen Gebeten der Christen beiwohnen. Die aktive und explizite Teilnahme an den liturgischen Gebeten der Kirche wie Stundengebet und Eucharistie setzt die Mitgliedschaft in der Glaubensgemeinschaft der Kirche voraus. Denn ihr Vollzug ist auch ein Bekenntnis zur christlichen Glaubensüberzeugung selbst. Etwas anderes ist die respektvolle Einladung an Muslime, als stille Gäste, im Geist der Gemeinschaft, die der Glaube an den Einen Gott schafft, an unserem Gebet teilzunehmen. Dabei wird es für Muslime selbstverständlich sein, die Würde des Ortes gemäß den lokalen Gepflogenheiten zu beachten.
b) Wenn ein öffentlicher christlicher Gottesdienst einen Muslim direkt betrifft, zum Beispiel anlässlich der Beerdigung, einer interreligiösen Hochzeit oder einer Taufe von christlichen Verwandten, Nachbarn oder Freunden, werden Muslime verstehen, dass eine solche Feier einen typisch christlichen Charakter hat. Das betrifft Riten und Texte gleichermaßen. Gleichzeitig sehen jedoch die liturgischen Richtlinien der Kirchen im Hinblick auf die Auswahl der Lesungen und die Verkündigung eine Anpassung an die je verschiedenen Teilnehmergruppen und an die Umstände vor. Sinnvolle Modifikationen der Riten sind denkbar, besonders dann, wenn ein bestimmter Ritus Angehörige anderer Religionen verletzen könnte.
Es ist auch anzustreben, den einen oder anderen geistlichen muslimischen Text zu gebrauchen. Hierzu eignen sich vorzugsweise nicht-offizielle Texte, wie z. B. Gebete von muslimischen Mystikern. Dagegen ist vom Gebrauch koranischer oder muslimischer liturgischer Texte in der Regel abzuraten.
Hier und dort wurden bereits Muslime darum gebeten, während eines Beerdigungsritus die Fâtiha(43) über den Verstorbenen zu rezitieren. Dafür waren die Muslime dankbar. Wichtig ist dabei allerdings, sich im Rahmen der Richtlinien der lokalen Kirche zu bewegen und die Atmosphäre der geschwisterlichen Liebe zwischen den Gläubigen zu bewahren.
c) Bei öffentlichen interreligiösen Veranstaltungen, wie Gebetstreffen, Tagungen, Vorträgen sollte jede religiöse Gruppe nacheinander einen Text aus ihrer je eigenen Tradition vortragen (Bibel, Koran …) unter schweigender Aufmerksamkeit der anderen Anwesenden. Dabei sollte man beachten, dass die Muslime es normalerweise ablehnen, die ersten zwei Worte des „Vater Unser“ zu sprechen und dass die Fâtiha (die eröffnende Sure des Koran), deren Worte allesamt biblische Wurzeln haben, im Allgemeinen als ein offizielles Gebet angesehen wird, das Muslimen vorbehalten ist.
d) Im Hinblick auf kleine Gruppen von Muslimen und Christen, die einander gut kennen und sich der Gefahren des Synkretismus bewusst sind, ist größere Flexibilität möglich. Hier können über das in Abschnitt b) Gesagte hinaus nicht-offizielle Texte, z. B. von den Mystikern beider Traditionen, oder auch eigenständig formulierte Texte gemeinsam gesprochen werden. Ebenso ist hier spontanes Gebet möglich. Grundlegende Gebete, wie das „Vater Unser“ und die Fâtiha können gemeinsam rezitiert werden, vorausgesetzt, dass alle Anwesenden ihre Zustimmung dazu gegeben haben und dass keiner der Anwesenden geistlich vergewaltigt wird(44). Viel wird von der Atmosphäre abhängen, die in der gegebenen Gruppe herrscht.
e) Falls eine Gruppe von Muslimen, Kinder oder ihre Eltern, einen Gebetsraum innerhalb einer christlichen Einrichtung, z. B. in einer christlichen Schule, erbitten, sollte man darauf eingehen.
Keine einheitliche Meinung besteht darüber, ob es weise und angemessen ist, in Europa Kirchen oder Kapellen, die nicht mehr von Christen gebraucht werden, auf Zeit oder gänzlich muslimischen Gemeinden für die Ausführung ihres Gottesdienstes und als Zentrum für die anderen Aktivitäten der islamischen Gemeinde zugänglich zu machen.(45)
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- (40) Die Fâtiha (Sure 1) hat folgenden Wortlaut: „ 1 Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen. 2 Lob sei Gott, dem Herrn der Welten, 3 dem Erbarmer, dem Barmherzigen, 4 der Verfügungsgewalt besitzt über den Tag des Gerichtes! 5 Dir dienen wir, und Dich bitten wir um Hilfe. 6 Führe uns den geraden Weg, 7 den Weg derer, die Du begnadet hast, die nicht dem Zorn verfallen und nicht irregehen“ (Übersetzung A.Th. Khoury).
- (41) Die Ikonenmalerei kommt aus der byzantinischen Kunst und hat so Eingang in das Leben der Orthodoxen Kirchen gefunden. Eine Ikone (griechisch eikon) bedeutet Bild oder Ebenbild. Die Berechtigung zur bildlichen Darstellung wurde in biblischen Stellen wie Kolosser 1, 15 „Er (Christus) ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung“ gesehen. Die Ikonen sind Darstellungen, die Christus und die Heiligen vergegenwärtigen. So sind sie Symbole des Geheimnisses Christi. Die Maler, meist Mönche, schreiben sozusagen das Evangelium in Farben und sollen dieses Amt in Heiligkeit ausüben. Die Bilderwand im Altarraum der orthodoxen Kirchen, die Ikonostase, bietet ein Ikonen-Ensemble.
- (42) Die Heiligen sind – nach katholischer Überzeugung – Männer und Frauen des Glaubens, die in ihrer Lebenssituation beispielhaft gelebt haben. Sie sind daher eine Ermutigung für den Glaubenden in den je verschiedenen Lebenssituationen. So ist z. B. die um ihren Sohn trauernde, ihren Schmerz tragende Mutter Jesu eine Quelle des Trostes für Frauen in den Nöten des Lebens. Aus dieser Sicht heraus sind es Katholiken gewohnt, Heiligen ihre Probleme und Nöte in Form von Bittgebeten anzuvertrauen. Heilige sind auch vertraute Begleiter im Leben, in deren Schutz man sich geborgen fühlt, wie z. B. in Haus und Familie, im Straßenverkehr, auf einer Reise, bei Krankheit und schließlich im Tod. Der heilige Josef z. B. wird als Patron für einen guten Tod verstanden. Evangelische Christen beziehen vorbildliche Zeugen des Glaubens nicht in ihr Gebet ein. Dagegen machen sie von deren Gebetstexten Gebrauch.
- (43) Siehe Anm. 40.
- (44) Für das gemeinsame Rezitieren der Fatiha setzt das voraus, dass das Abirren vom „geraden Weg“ in Vers 7 nicht auf Juden und Christen bezogen wird.
- (45) Die Handreichung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland: Zusammenleben mit Muslimen in Deutschland. Gestaltung der christlichen Begegnung mit Muslimen, Gütersloh 2000, S. 1165f. sieht bei Räumen, die allein dem christlichen Gottesdienst gewidmet sind, schon wegen der üblichen Raumgestaltung (Kreuz, Bilder) keine Möglichkeit, sie zeitgleich auch Muslimen zur Verfügung zu stellen. Das gilt für andere Räume im Besitz einer Kirchengemeinde so nicht. Hier sind landeskirchliche Regelungen durchaus möglich. – Was Kirchen betrifft, die nicht mehr gemeindlich genutzt werden, so ist bisher in Deutschland anders als in einigen europäischen Nachbarländern keine Kirche an einen Moscheeverein verkauft worden, um in eine Moschee umgewandelt zu werden. Für die Zukunft wird dies jedoch nicht ausgeschlossen.