German
English
Turkish
French
Italian
Spanish
Russian
Indonesian
Urdu
Arabic
Persian
Home     BIBEL- UND KORANSTELLEN     FRAGENÜBERSICHT     Literatur     IMPRESSUM

Frage 143:

Wie ist das christliche Verständnis von der Gerechtigkeit, Menschenrechte und Freiheit? Will das Christentum diese für alle Menschen, also auch für die Nicht-Christen?

 

Antwort:

Im Kompendium der Soziallehre der Kirche hat die Kirche die bleibenden Prinzipien dargelegt, die die wahren und eigentlichen Angelpunkte dieser Lehre darstellen. Es handelt sich um das Prinzip der Würde der menschlichen Person, das die Grundalge jedes anderen Prinzips und Inhalts der Soziallehre darstellt. Die Prinzipien der Soziallehre bilden in ihrer Gesamtheit jede erste Formulierung der Wahrheit über die Gesellschaft, die jedes Gewissen dazu aufruft und einlädt, in Freiheit und voller Mitverantwortlichkeit mit allen und für alle zu handeln. Sie haben eine zutiefst moralischen Bedeutung, wie sie auf die letzen und Richtung gebenden Grundlagen des sozialen Lebens verweisen: es sind das Prinzip des Gemeinwohls, das Prinzip der allgemeine Bestimmung der Güter ( das die vorrangige Option für die Armen einschließt), das Prinzip der Subsidiarität, der Beteiligung sowie schließlich das Solidaritätsprinzip.

 

Neben den Prinzipien, die der Schaffung einer menschenwürdigen Gesellschaft zugrund liegen müssen, behandelt die Soziallehre der Kirche auch grundlegende Werte. Alle sozialen Werte hängen mit der Würde der menschlichen Person zusammen und fordern ihre authentische Entwicklung. Im Wesentlichen handelt es sich um Wahrheit, Freiheit, Gerechtigkeit und Liebe. Der Respekt vor der rechtmäßigen Autonomie der irdischen Wirklichkeiten veranlasst die Kirche dazu, sich keine spezifischen technischen und weltlichen Kompetenzen vorzubehalten, aber hindert sie nicht daran, einzugreifen und deutlich zu machen, wie dies Werte in den verschiednen Entscheidungen des Menschen bestätigt oder missachtet werden (vgl. n. 198).

 

Die Wahrheit: „Die Menschen sind in besonderer Weise dazu bestimmt, beständig nach der Wahrheit zu streben, sie zu achten und sie verantwortungsbewusst zu bezeugen. In der Wahrheit zu leben hat vor allem in den sozialen Beziehungen eine besondre Bedeutung: Das Zusammenleben von Menschen innerhalb einer Gemeinschaft ist nämlich nur dann geordnet, fruchtbar und ihrer personalen Würde angemessen, wenn es sich auf die Wahrheit gründet. Je mehr sich die Personen und sozialen Gruppen bemühen, die gesellschaftlichen Probleme der Wahrheit gemäß zu lösen, desto mehr entfernen sie sich von der Willkür und nähern sich der objektiven Forderung nach Moral…“ (Kompendium 198).

 

Die Freiheit: „Die Freiheit ist das größte Zeichen der Gottähnlichkeit des Menschen und damit Zeichen der erhabenen Würde jeder menschlichen Person. ‚Freiheit wird in zwischenmenschlichen Beziehungen ausgeübt. Jeder Mensch hat das natürliche Recht, als ein freies, verantwortliches Wesen anerkannt zu werden, weil er nach dem Bilde Gottes geschaffen ist. Alle Menschen sind einander diese Achtung schuldig. Das Recht die Freiheit auszuüben, ist untrennbar mit der Würde des Menschen verbunden.’ Die Bedeutung der Freiheit darf nicht eingeschränkt und einer rein individualistischen Betrachtungsweise auf die willkürliche und unkontrollierte Ausübung der eigenen, personalen Autonomie reduziert werden: „Die Freiheit verwirklicht sich nicht in einer völligen Autarkie des eigenen Ichs und ohne Bezug auf die andere; sie existiert wahrhaft nur dort, wo gegenseitige Bindungen, die von Wahrheit und Gerechtigkeit bestimmt sind, die Personen vereinen. Die Auffassung von Freiheit wird tief und weit, wenn sie auch auf gesellschaftlicher Ebene in der Gesamtheit ihrer Dimensionen geschützt wird“ (ebd. 199).

 

„Der Wert der Freiheit als Ausdruck der Einzigartigkeit jeder menschlichen Person wird respektiert, wenn jedem Mitglied der Gesellschaft die Möglichkeit zugestanden wird, seine eigene, personale Berufung zu erfüllen; die Wahrheit zu suchen und die eigenen, religiösen, kulturellen und politischen Vorstellungen zu artikulieren; seine eigene Meinung zu äußern; über seine eignen Lebensstand und, soweit möglich, über die eigene Arbeit zu entscheiden; Initiativen wirtschaftlicher, sozialer und politischer Art zu ergreifen. Dies alles muss „in eine fest Rechtsordnung eingebunden sein und sich innerhalb der Grenzen des Gemeinwohls, der öffentlichen Ordnung und in jedem Fall im Zeichen der Verantwortung vollziehen. Die Freiheit muss sich andererseits auch als die Fähigkeit manifestieren, das moralisch Negative, unter welchen Formen es auch auftreten mag, abzulehnen, als Fähigkeit, sich wirksam von allem zu distanzieren, was das personale, familiäre und soziale Wachstum behindern kann. Die Fülle der Freiheit besteht in der Fähigkeit, im Hinblick auf das wahrhaft Gute und im Horizont des weltweiten Gemeinwohls über sich zu verfügen“ (ebd. 200).

 

Die Gerechtigkeit: “Die Gerechtigkeit ist der Wert, der mit der Übung der entsprechenden sittlichen Kardinaltugenden einhergeht. Der klassischsten Formulierung zufolge ist sie ‚der beständige, feste Wille, Gott und dem Nächsten das zu geben, was ihnen gebührt.“ Subjektiv betrachtet äußert sich die Gerechtigkeit in einer Haltung, die von dem Willen bestimmt ist, den anderen als Person anzuerkennen, während sie objektiv betrachtet das entscheidende Kriterium der Sittlichkeit im intersubjektiven und sozialen Bereich darstellt. Das soziale Lehramt der Kirche ruft dazu auf, die klassischen Formen der ausgleichenden, der austeilenden und der legalen Gerechtigkeit zu respektieren. Von zunehmender Bedeutung ist dabei die soziale Gerechtigkeit, die eine wahre und eigentliche Weiterentwicklung der allgemeinen Gerechtigkeit darstellt, welche die sozialen Verhältnisse auf der Grundlage des Kriteriums der Gesetzestreue regelt. Die Forderung der sozialen Gerechtigkeit ist mit der sozialen Frage verknüpft, die mittlerweile globale Ausmaße erreicht hat, und betrifft die sozialen und ökonomischen Aspekte und vor allem die strukturelle Dimension der Probleme und der dazugehörigen Lösungen“ (ebd. 201).

 

Der Weg der Liebe: „Die Werte der Wahrheit, der Gerechtigkeit und der Freiheit entspringen und entwickeln sich aus der inneren Quelle der Liebe“(ebd., 205). „Die Liebe setzt die Gerechtigkeit voraus und übersteigt sie: Letztere muss ‚ihre Vervollständigung in der Liebe finden’. Wenn die Gerechtigkeit imstand ist, ‚zwischen den Menschen nach Gebühr ‚Recht zu sprechen’, wenn sie Sachgüter verteilen und tauschen, so ist die Liebe und nur die Liebe (auch jene gütige Liebe, die wir als Erbarmen bezeichnen) fähig, den Menschen sich selbst zurückzugeben. Die menschlichen Verhältnisse können nicht ausschließlich nach dem Maßstab der Gerechtigkeit geregelt werden…“(ebd., 206).

 

„Keine Gesetzgebung, kein System von Regeln oder Übereinkünften kann Menschen und Völker davon überzeugen, in Einheit, Brüderlichkeit und Friede zu leben, keine Argumentation kann den Appell der Liebe übertönen. Nur die Liebe in ihrer Eigenschaft als forma virtutum (=das den Tugenden ihre innere Ausrichtung verleihende Element) kann das soziale Handeln im Zusammenhang einer immer komplexeren Welt auf den Frieden hin beseelen und gestalten. Damit dies alles geschieht, muss die Liebe jedoch nicht nur als Inspirationsquelle für das individuellen Handeln, sondern auch als eine Kraft dargestellt werden, die neue Wege eröffnen kann, um den Problemen der heutigen Welt zu begegnen und Strukturen, soziale Organisationen und Rechtsordnungen von innen heraus und von Grund auf zu erneuern. So gesehen wird die Liebe zu eine sozialen politischen Liebe: Die soziale Liebe lässt uns das Gemeinwohl lieben und auf wirkungsvolle Weise das Wohl aller Personen anstreben, die nicht nur als Individuen, sondern auch in der sozialen Dimension betrachtet werden, die sie vereint“(ebd. 207). So gesehen kann gesagt werden: „Die soziale und politische Liebe erschöpft sich nicht in zwischenmenschlichen Beziehungen, sondern entfaltet sich in dem Netz, in das diese Beziehungen hineingeflochten sind, nämlich der sozialen und politischen Gemeinschaft, und wirkt im Sinne des für die Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit erreichbaren Wohls auf diese ein… Das Werk der Barmherzigkeit, mit dem man hier und jetzt auf ein reales und drängendes Bedürfnis des Nächsten reagiert, ist zweifelsohne ein Akt der Liebe; doch ein ebenso unverzichtbarer Akt der Liebe ist das Engagement, das darauf ausgerichtet ist, die Gesellschaft so zu organisieren und zu strukturieren, dass der Nächste nicht im Elend leben muss, vor allem dann, wenn sich ein überschaubare Menge von Personen und sogar ganze Völker in der Situation befinden, die heute die Proportion einer wahren und eigentlichen weltweiten sozialen Frage annimmt“ (ebd. 208).

 

Menschenrechte: „Das Bemühen um die Festlegung und Verkündigung der Menschrechte ist eine der wichtigsten Anstrengungen, um wirkungsvoll auf die unverzichtbaren Forderungen der Menschwürde einzugehen. Die Kirche betrachtet diese Rechte und ihre Anerkennung als eine außerordentliche Gelegenheit in unserer Zeit, um die Menschwürde als charakteristischen Stempel, den der Schöpfer dem Geschöpf aufgedrückt hat, weltweit auf wirkungsvolle Weise zur Geltung zu bringen und zu fördern. Das kirchliche Lehramt hat es nicht versäumt, die Allgemeine Erklärung der Menscherechte durch die Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 positiv zu bewerten, die von Johannes Paul II. als ‚wahrer Meilenstein auf dem Weg des moralischen Fortschritts der Menschheit’ bezeichnet worden ist“ (ebd., 152).

 

„Die letzte Quelle der Menschenrechte liegt nicht im reinen Willen der Menschen, nicht in der Wirklichkeit des Staates, nicht in den öffentlichen Gewalten, sondern im Menschen selbst und in Gott, seinem Schöpfer. Diese Rechte sind universal, unverletzlich und unveräußerlich. Universal, weil sie unabhängig von Ort, Zeit und Subjekt ausnahmslos in allen Menschen vorhandnen sind. Unverletzlich insofern, als sie ‚aus der Würde und dem Wert erwachsen, die der menschlichen Person innewohnen’ und weil ‚es müßig wäre, die Rechte zu verkünden und nicht gleichzeitig alles zu tun, um den ihnen gebührenden Respekt von Seiten aller überall und gegenüber jedem zu gewährleisten’. Unveräußerlich insofern, als ‚niemand irgendeinem seiner Mitmenschen dieser Rechte rechtmäßig berauben darf; denn das würde bedeuten, seiner Natur Gewalt anzutun’“ (ebd., 154).

Kontakt

J. Prof. Dr. T. Specker,
Prof. Dr. Christian W. Troll,

Kolleg Sankt Georgen
Offenbacher Landstr. 224
D-60599 Frankfurt
Mail: fragen[ät]antwortenanmuslime.com

Mehr zu den Autoren?