Gott, der Dreieine
I. Muslime fragen
- Seid Ihr wirklich Monotheisten (muwahhidûn)?
- Glaubt Ihr an drei Götter?
- Wer sind diese Götter?
- Wie kann Gott Vater oder Sohn genannt werden
II. Muslimische Sicht
Allgemein
1. Im Zentrum des islamischen Glaubens steht der konsequente Monotheismus.
„1 Sprich: Er ist Gott, ein Einziger, 2 Gott, der Undurchdringliche. 3 Er zeugt nicht, und Er ist nicht gezeugt worden, 4 und niemand ist Ihm ebenbürtig“ (Sure 112).
2. Der Islam ist tief davon überzeugt: Gott kann nicht durch allzu menschliche Worte erfasst werden. „Vater“ und „Sohn“ bezeichnen primär „fleischliche“ Realitäten. Christen hätten sich so sehr daran gewöhnt, beiden Worten eine geistliche Bedeutung zu geben, dass sie deren natürliches Bedeutungsfeld fast vergessen hätten.
3. Die theologische Erklärung der Trinität durch die Begriffe Natur (tabî’a) und Person (schakhs, uqnûm) hilft nicht weiter: Von den arabischen Äquivalenten für Person vermittelt schakhs die Idee einer sichtbaren Form, uqnûm als Fachterminus der christlichen Dogmatik in arabischer Sprache ist dem heutigen Araber nicht geläufig. Tabî’a bezieht sich auf eine geschaffene Natur.
4. Der Koran versteht die christliche Lehre von der Dreieinigkeit Gottes als Tritheismus: Die Christen bezeichnen – anders als Jesus selbst – Allah, Jesus und Maria als drei Gottheiten.
„Und als Gott sprach: ‚O Jesus, Sohn Marias, warst du es, der zu den Menschen sagte: Nehmt euch neben Gott mich und meine Mutter zu Göttern?‘ Er sagte: ‚Preis sei Dir! Es steht mir nicht zu, etwas zu sagen, wozu ich kein Recht habe. Hätte ich es gesagt, dann wüsstest Du es. Du weißt, was in meinem Inneren ist, ich aber weiß nicht, was in deinem Inneren ist. Du bist der, der die unsichtbaren Dinge alle weiß‘“ (Sure 5,116).
5. Auf die christliche Lehre vom Heiligen Geist als dritter Person der Trinität nimmt der Koran nicht Bezug.
Im Einzelnen
1. Für den Koran sind die Christen neben den Juden „Leute der Schrift“ (ahl al-kitâb). Es bleibt jedoch vom Koran her offen, ob Christen als Monotheisten (Sure 2,62; 3,110–115; 4.55; 5,69.82 …), als Ungläubige (kuffâr: Sure 5,17.72–73; 9,30) oder als „Beigeseller“ (muschrikûn: 5,31.72) zu betrachten sind.
2. Der Koran hält den Christen vor, dass sie in Bezug auf Gott drei (thalâtha) sagen (Sure 4,171). Sie sagen, Gott sei „der dritte einer Triade“ (Sure 5,73), was Jesus und Maria einschließen würde (Sure 5,116).(14) Sie sagen, Jesus sei Gott (Sure 5,72.116) oder Sohn Gottes (Sure 9,30: ibn; Sure 19,34–35: walad), obgleich doch in Wahrheit der eine und einzige Gott „nicht zeugt noch gezeugt wird“ (Sure 112,3): lam yalid wa lam yûlad.
3. Bei den muslimischen Exegeten und Theologen finden sich sehr verschiedene Aussagen zur Gottesvorstellung der Christen. Fakhr al-din Râzi (1149–1209), einer der großen Koranexegeten der klassischen Periode, erkennt an, dass keine Christen seiner Epoche der Meinung seien, Maria gehöre zur Dreieinigkeit; die koranische Vorstellung sei wohl die Glaubensvorstellung einer gegenwärtig nicht mehr existierenden Sekte gewesen. Viele moderne Gelehrte sind darin Râzi gefolgt.
4. Auch über die Lehre von den drei göttlichen Personen findet man bei muslimischen Theologen erstaunlich verständnisvolle Darstellungen. Manche erkennen sogar an, dass das Christentum eine genuine Form des Monotheismus sei. Tatsache bleibt jedoch, dass die Mehrheit der Muslime meint, die Christen seien Tritheisten.
III. Christliche Sicht
1. Wer ist Gott?
Die Christen sind ganz und gar Monotheisten, und es ist ihr Bestreben, diesen Monotheismus zu bewahren, den sie von Israel empfangen haben. Gott ist einer. In diesem Rahmen glauben sie, dass Gott sich als Herr und Erlöser durch und in Jesus Christus geoffenbart hat. Dies setzt voraus, dass Gott sich in Jesus Christus gegenwärtig gemacht hat, ohne jedoch einfach in ihm aufzugehen. In Jesus absorbiert die Menschheit die Gottheit nicht und die Gottheit hebt die Menschheit nicht auf. Vom Beginn des Christentums an sind dies die Eckpunkte der theologischen Reflexion und der geistlichen Erfahrung gewesen, die zur Lehre der Dreieinigkeit führten. Für uns ist die Frohe Botschaft (Evangelium), die wir von Jesus empfangen haben, nicht nur, dass Gott existiert und dass er einer ist, sondern sie sagt uns wer er ist. Jesus führt seine Jünger zur liebenden Kenntnis Gottes und zur Gemeinschaft mit ihm:
„Nachdem Gott viele Male und auf viele Weisen durch die Propheten gesprochen hatte, ‚hat er zuletzt in die-sen Tagen zu uns gesprochen im Sohn‘ (Hebr 1,1–2). Er hat seinen Sohn, das ewige Wort, das Licht der Menschen gesandt, damit er unter den Menschen wohne und ihnen vom Inneren Gottes Kunde bringe (vgl. Joh 1,1–18). Jesus Christus, das Fleisch gewordene Wort, als ‚Mensch zu den Menschen‘ gesandt, ‚redet die Worte Gottes‘ (Joh 3,34) und vollendet das Heilswerk, dessen Durchführung der Vater ihm aufgetragen hat (vgl. Joh 5,36; 17,4). Wer ihn sieht, sieht auch den Vater (vgl. Joh 14,9). Er ist es, der durch sein ganzes Dasein und seine ganze Erscheinung, durch Worte und Werke, durch Zeichen und Wunder, vor allem aber durch den Tod und seine herrliche Auferstehung von den Toten, schließlich durch die Sendung des Geistes der Wahrheit die Offenbarung erfüllt und abschließt und durch göttliches Zeugnis bekräftigt, dass Gott mit uns ist, um uns aus der Finsternis von Sünde und Tod zu befreien und zu ewigem Leben zu erwecken“ (2. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung: Dei Verbum, 4).
2. Vater – Sohn
Gestützt auf die Taten, das Verhalten und die Worte Jesu haben die ersten inspirierten Zeugen (Apostel, Evangelisten) sich des Wortes „Sohn“ bedient, um die einmalige Beziehung des Jesus von Nazaret mit dem zu bezeichnen, den er seinen Vater nannte und zu dem er mit den Worten „Abba-Vater“ betete. Sie haben in den Taten Jesu gesehen, dass er wirklich göttliche Macht auszuüben beanspruchte, wie etwa die Vergebung der Sünden. Daraus haben sie geschlossen, dass es in Gott eine Unterscheidung gibt: einen Ursprung von allem, Quelle des Seins und des Lebens (den Vater) und den, dem diese Quelle Leben verleiht, den Erstgeborenen vor aller Schöpfung (den Sohn). Dieser Sohn empfängt sich ganz und gar vom Vater in einer Beziehung der totalen Hingabe und der Liebe des „Sohnes“. Jesus existiert also nicht durch sich selbst; er ist ganz und gar vom Vater, der ihm alles gibt, was er ist. Er wird so zum Widerschein des Vaters, „dem Vater gleich“, aber alles vom Vater empfangend. Der Begriff des „Wortes“, im klassischen Denken der Griechen entwickelt, trug dazu bei, diese Vater-Sohn Beziehung in Gott zu erhellen. Das Wort ist von der Intelligenz geschaffen um Seine Natur auszusagen: verschieden von ihr, manifestiert sie es doch zugleich. Und es ist das Wort, das in Jesus von Nazaret Fleisch (Mensch) wird.
3. Durch das Wort im Geist
Der Vater „zeugt“ also den Wort-Sohn und durch ihn schafft er die Welt, denn in Gott ist das Wort wirksam. Es bringt alles, was ist, hervor. Die gesamte Schöpfung trägt somit die Markierung dieses Wortes des Vaters: Sie kann ein Weg für die Erkenntnis Gottes sein (das, was die frühen Kirchenväter die „Samen des Wortes“ nannten). Diese Schöpfung findet ihre Erfüllung im Menschen, von Gott geschaffen „nach seinem Bild und in seinem Gleichnis“ (Gen 1,27). Der Mensch erreicht seine Vollkommenheit, indem er diese Ähnlichkeit wieder findet. Das menschgewordene Wort eröffnet ihm dazu den Weg. Durch Jesus kann die Menschheit eintreten in eine richtige Beziehung zum Vater, der Quelle von Jesu Leben. Diese „Gerechtigkeit“ (Richtigkeit) oder dieses „zurecht-gemacht-Werden“ des Menschen durch Gott auf Gott hin, ist das Werk des Heiligen Geistes in uns (wie in Jesus). Der Geist der Liebe Gottes ist das Prinzip der Sohnes- und Bruderbeziehung, für die wir in und durch das Wort Gottes bestimmt sind. Der Apostel Paulus sagt uns, dass wir, durch den Heiligen Geist, Gott Abba nennen können (Gal 4,6). So werden wir „Kinder Gottes durch Adoption“. Wir leben „mit, durch und in Jesus“ (Doxologie der eucharistischen Gebete).
4. Vater-Sohn-Geist
Eine zweite Unterscheidung scheint somit in Gott auf. Der Geist war immer wieder im Alten Testament genannt worden, um die schöpferische Macht Gottes zu bezeichnen, seinen „Lebensatem“ (rûah in Hebräisch, rûh in Arabisch). Dieser selbe Geist inspirierte die Propheten und führte das Volk Israel, orientierte seine Intelligenz hin zur Erkenntnis des wahren Gottes und führte seine Geschichte, auf dass es sich seinem Willen füge. Durch den Geist bleibt der Schöpfer in lebendiger Beziehung mit seiner Schöpfung – und diese Schöpfung bleibt offen für das Handeln des Schöpfers. Jesus bestätigt diese Offenbarung. Zunächst in seiner Person, denn er ist „geboren aus dem Heiligen Geist“, der in ihm Gottheit und Menschheit vereint. Im Geist ist er „Sohn“ Gottes, und es ist der Geist (siehe vor allem das Lukasevangelium), der die Quelle seines Handelns ist. Aber Jesus sagt uns auch, dass dieser Geist der Urheber der Gemeinschaft ist, die ihn mit dem Vater verbindet und eins macht. Diese Beziehung kann aber nicht anders als göttlich sein: Gott allein kann mit Gott vereinen. Dieser Geist ist also von der gleichen Natur wie der Vater und der Sohn: Er ist göttlich. Er ist das Band der Gemeinschaft in Gott selbst, Prinzip seiner Einheit. Gegenseitige Liebe von Vater und Sohn, ist er nicht nur eine göttliche Eigenschaft, sondern wirklich Gott. So bewahrheitet sich das sehr alte Gebet der ersten Christen: „Zum Vater durch den Sohn im Geist“. Wir wenden uns zur Quelle unseres Lebens, durch Jesus, dem wir nachfolgen, im Geist, den er uns schenkt bei der Taufe und der uns an den Vater zurückbindet als seine „adoptierten“ Kinder.
5. Gemeinschaft der Liebe
Der Geist wird von nun an das „innere Gesetz“ sein, das die Christen auf dem Wege Gottes leitet. Er belebte Jesus. Er belebt auch uns. So ist die gesamte Schöpfung berufen, in die Gemeinschaft der Liebe einzutreten, die Gott selbst ist. Der Geist ist den Menschen gegeben, damit sie die freien und schöpferischen Instrumente dieser universellen Versöhnung seien, der Schöpfung mit Gott und der Menschen untereinander. Die Einheit ist sicher der Ursprung und das Ziel des ganzen Werkes Gottes, denn sie ist in Gott selbst. Aber im Unterschied zu den Muslimen glauben wir, dass diese Einheit Gemeinschaft ist, in einer Beziehung der Liebe.
„Gemäß ihrer Aufgabe, Einheit und Liebe unter den Menschen und damit auch unter den Völkern zu fördern, fasst sie [die Kirche] vor allem das ins Auge, was den Menschen gemeinsam ist und sie zur Gemeinschaft untereinander führt. Alle Völker sind ja eine einzige Gemeinschaft, sie haben denselben Ursprung, da Gott das ganze Menschengeschlecht auf dem gesamten Erdkreis wohnen ließ. Auch haben sie Gott als ein und dasselbe letzte Ziel. Seine Vorsehung, die Bezeugung seiner Güte, und seine Heilsratschlüsse erstrecken sich auf alle Menschen, bis die Erwählten vereint sein werden …“ (2. Vatikanisches Konzil, Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen: ‚Nostra Aetate‘, Nr. 1)
6. Dreieinigkeit
Die Dreieinigkeit Gottes ist wesentlich für den christlichen Glauben. Sie entzieht uns der Faszination der Idole, die nicht Gott sind, denn er ist einer und ein einziger, und er richtet uns aus auf die Anbetung des lebendigen und wahren Gottes. Mehr noch, sie ist die Quelle der Einheit des Menschengeschlechtes, das berufen ist, in die göttliche Gemeinschaft einzutreten durch den Heiligen Geist.
„Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten. Und ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll. Er ist der Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt. Ihr aber kennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird. Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, sondern ich komme wieder zu euch … An jenem Tag werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir … Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen“ (Joh 14,15–24).
Durch die Taufe sind die Christen im Geiste „Glieder“ des Leibes Christ geworden. In diesem Leib setzen sie die Sendung Jesu fort: den gefangenen Menschen von den Mächten des Todes zu befreien. Hineingenommen in seinen „Leib“ treten sie ein ins ewige Leben, das in der Gemeinschaft des Lebens mit Gott besteht. Sie empfangen dieses Geschenk und bemühen sich, von diesem Geschenk, das Jesus ist, zu leben. Sie sollen verharren in der Anbetung des göttlichen Geheimnisses und sich vom Heiligen Geiste führen lassen.
„Er aber, der durch die Macht, die in uns wirkt, unendlich viel mehr tun kann, als wir erbitten oder uns ausdenken können, er werde verherrlicht durch die Kirche und durch Christus Jesus in allen Generationen, für ewige Zeiten“ (Eph 3,20–22).
7. Zur Entstehung der Lehre von der Dreieinigkeit Gottes
Es ist wichtig, die Entstehung des Dogmas von der Dreieinigkeit nachzuzeichnen. Dadurch kann zwischen Inhalt und kulturellem Gewand des Dogmas unterschieden werden.
1. Jesus gehört zum erwählten Volk Israel. Er ist ganz und gar durchdrungen vom Geist eines konsequenten Monotheismus (Mk 12,28–34). Die Bibel spricht immer wieder von der Eifersucht des Einen und Einzigen Gottes im Hinblick auf falsche Götter. Jesus sagt nicht, er sei Gott. Er nennt sich „Sohn Gottes“ (Joh 10,36) oder einfach „der Sohn“ (vgl. Mt 11,27). Jesus weist auf seinen „himmlischen“ Ursprung gerade dadurch hin, dass er die Bezeichnung „Sohn des Menschen“ (Menschensohn) aus der Vision Daniels (Dan 7) aufnimmt. Fundamental ist, dass Jesus in einer besonderen Beziehung zu dem einen Gott lebt, den er „Abba“ (Papa) zu nennen wagt. Die Titel „Sohn Gottes“ und „Messias“ allein waren zur Zeit Jesu zu vage, als dass sie hätten vermitteln können, für was Jesus sich selbst hielt. Vom heiligen Geist spricht Jesus nur selten, nur in Mk. 3,28–30. Er lebt jedoch ganz intensiv in der Kraft des Geistes.
2. Erst nach der Passion und der Auferstehung Jesu verstehen die Apostel aufgrund einer „mächtigen“ Inspiration des Geistes die Bedeutung dessen, was sie mit Jesus erlebt hatten. So kommen sie zu dem Bekenntnis, dass dieser Christus (Messias) der Lebendige, von den Toten Auferweckte, identisch ist mit Jesus von Nazaret, mit dem sie gelebt haben und den sie am Kreuz haben sterben sehen. Sie wagen zu bekennen, dass er der Retter und der Herr ist, und dass er in seiner Beziehung zu seinem Vater in einer ganz einmaligen Weise Sohn Gottes ist. Erst jetzt werden die „trinitarischen Formulierungen“ häufiger, wird der Titel „Sohn Gottes“ verwandt, wird vom „Geist Gottes“ (griech. pneuma: göttlicher Atem) gesprochen, dessen Gegenwart die Apostel so mächtig erfahren haben, noch bevor sie ihm einen genauen Namen gegeben haben. So kommt es zu dem zentralen Bekenntnis des christlichen Glaubens, dass Gott Vater, Sohn und Geist ist. Dieses Bekenntnis verdankt sich der Realität des Auferstandenen und wurzelt im Glauben der Apostel.
3. Aufgrund der christologischen Häresien, die im dritten und vierten Jahrhundert überaus zahlreich waren, ergab sich die Notwendigkeit, den Glauben an die Einheit Gottes wie auch den Glauben an die Realität von Vater, Sohn und Geist zu bekräftigen. Ein allmählicher Prozess der Reifung führte bis hin zur Formel des Vierten Laterankonzils von 1215. Dieses erklärt, dass die göttliche Natur eine ist, dass sie jedoch gleichzeitig aus drei Personen besteht. Sie umfassen den Vater als den ursprunglosen Ursprung, den Sohn, der seinen Ursprung seit aller Ewigkeit dem Vater verdankt, den Geist, der von beiden ausgeht – wobei alle drei gleicher Substanz sind.(15)
IV. Christen antworten
1. Christen bekennen sich unmissverständlich zu dem einen Gott. Die klassische christliche Theologie hat dies so festgehalten: Gott handelt in seinen Beziehungen zur Schöpfung als der Eine und der Einzige.
2. Die „Dreiheit“ bezieht sich sowohl auf Gottes Heilshandeln in der Geschichte wie auf sein inneres Leben und beeinträchtigt in keiner Weise seine Einheit. Mathematische Kategorien allein erfassen Gottes Wirklichkeit nicht.(16) Derselbe Gott ist Vater, derselbe ist Sohn und derselbe ist Geist. In Jesus Christus ist Gott wirklich Mensch geworden. So lässt das Leiden und Sterben Gott nicht unberührt. Diese göttlichen Namen gehören zum Wesenskern des christlichen Glaubens und stellen einen Teil des Erbes dar, das von den ersten Anfängen an überliefert worden ist. Diese Begriffe sind jedoch nicht im Sinne einer Zeugung in Gott – im menschlichen Sinn des Wortes Zeugung – zu verstehen. In der strikten Ablehnung einer solchen Vorstellung stimmen wir ganz und gar mit den Muslimen überein.(17) Der Vorbehalt der Muslime gegenüber der Anwendung des Vaterbegriffes auf Gott kann Christen helfen, sich des metaphorischen Charakters aller Rede über Gott bewusst zu bleiben. Auch für den christlichen Glauben bleibt Gott der Unsagbare. Mit anderen Worten, die Christen verwenden die Termini „Vater“ und „Sohn“ in einem viel weiteren Sinn als es die Muslime tun. Der eine Gott wird Vater genannt, weil er die Quelle allen Seins ist; er wird Sohn genannt, sofern er in Jesus voll und ganz aus dieser Quelle lebt; er wird Geist genannt, insofern er sich seiner Schöpfung mitteilt.
3. Die Termini „Natur“ und „Person“ sollten, falls nach ihrer Bedeutung gefragt wird, jeweils aus dem historischen Kontext erklärt werden. Vor allem wäre in diesem Zusammenhang auf den Unterschied zwischen dem modernen Personbegriff und dem Personbegriff der klassischen philosophisch-theologischen Tradition hinzuweisen.
4. Gott existiert in drei unterschiedenen Seinsweisen (ahwâl). Das betrifft seine Beziehung zu uns sowie die innergöttlichen Beziehungen.(18)
5. Es ist sinnvoll, Denkkategorien aufzunehmen, die im klassischen Islam den Reichtum Gottes zum Ausdruck bringen. Allerdings schränken diese im muslimischen Verständnis Gottes Einheit (tauhîd) in keiner Weise ein. Zwei Gesichtspunkte gilt es hier vor allem zu beachten. Zum einen gehören die „Personen“ der Trinität streng genommen nicht zur selben Kategorie wie die „göttlichen Namen oder Attribute“ (z. B. der Allmächtige; der Barmherzige; der Allwissende …). Die göttlichen Namen und Attribute beschreiben die göttliche „Natur“, jede der drei „Personen“ besitzt daher diese göttlichen Namen in gleicher und ungeteilter Weise. Sie können deshalb nicht benutzt werden, um die göttlichen „Personen“ zu unterscheiden. Zum anderen fragen Muslime, weshalb Christen nur „drei“ Namen für Gott herausheben, wo es doch noch viel mehr „schöne Namen“ für Gott gibt. Alle diese zahlreichen „Namen“ gehören doch zum göttlichen Wesen und können auch nach christlichem Verstehen von Gott ausgesagt werden.
6. Auch der Gebrauch von Metaphern kann hilfreich sein. Eine Metapher kann deutlich machen, dass ein und derselbe Begriff mehreren Wirklichkeiten Ausdruck gibt. So steht das Feuer zum Beispiel gleichzeitig für Flamme, Hitze und Licht. Eis, Wasser und Dampf sind drei Erscheinungsformen eines einzigen Elementes.
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- (14) Der Koran schließt an christliche Strömungen seiner Zeit an, die eine Dreiheit von Gott Vater, Gott Mutter und Gott Sohn kennen. „Im Arabischen Kindheitsevangelium etwa wird Maria wiederholt als ,erhabene, göttliche Maria‘ bezeichnet.“ Siehe Martin Bauschke, Jesus – Stein des Anstoßes (Köln: Böhlau, 2000), S. 155)
- (15) Die Begriffe Natur, Substanz und insbesondere Person entstammen der Philosophie der damaligen Zeit. Sie waren anders geprägt als heute. Der Inhalt des Dogmas kann nur dann richtig bewahrt werden, wenn diesen Begriffen der metaphysische Bedeutungsgehalt belassen wird, den sie zur Zeit der Konzilien hatten. So heißt „Person“ hypóstasis, d. h. Gott handelt und lebt in Beziehungen. Wenn man dagegen Person im Sinne von Persönlichkeit, d. h. als autonomes Zentrum psychologischen Bewusstseins nimmt, dann lässt man die Konzilien genau das Gegenteil von dem aussagen, was sie intendierten. „Person“ würde dann bezeichnen, was die Konzilien mit dem Begriff „Natur“ aussagen wollten. Daraus würde folgen, in Gott gebe es drei getrennte Naturen.
- (16) Will man die arabischen Termini aufnehmen, so sollte die Dreieinigkeit nicht durch das Nomen tathlîth sondern durch das Adjektiv thâlûth bezeichnet werden. Tathlîth vermittelt die Idee des Teilens einer Sache in drei Teile, was nicht sachgemäß ist.
- (17) Beim Gespräch über Jesus als den Sohn Gottes tut man gut daran, im Hinblick auf Sure 112, den Begriff ibn Allâh und auf keinen Fall walad Allâh zu verwenden. Das Arabische verwendet nur ibn im metaphorischen Sinn, z. B. ibn al-sabîl. Eine Aussage des berühmten muslimischen Gelehrten al-Birûnî (973– ca. 1050) ist hier von Interesse: “Der Islam ist in der Anwendung der Begriffe Vater und Sohn auf Gott äußerst sorgfältig. Denn im Arabischen bedeutet das Wort Sohn (ibn) fast immer genau das, was Kind (walad) in der natürlichen Ordnung der Dinge bedeutet. Er verwendet ihn im Zusammenhang mit Elternschaft und Geburt. Nie und nimmer aber können sie von Gott ausgesagt werden. Andere Sprachen sind hier freier. Wenn in ihnen Kinder einen Menschen als Vater bezeichnen, meinen sie fast dasselbe wie wenn sie ihn als Herrn bezeichnen. So ist es bekanntermaßen auch bei den Christen … Mit dem Begriff der Sohn bezeichnen sie in besonderer Weise Jesus, aber sie wenden diesen Begriff auch auf andere an. Es ist Jesus, der seine Jünger auffordert, im Gebet zu sprechen: ‚Vater unser, der Du bist im Himmel‘. Als er sie über seinen kurz bevorstehenden Tod unterrichtet, sagt Jesus, er gehe zu seinem Vater und zu ihrem Vater. Häufig benutzt er das Wort Sohn, um sich selbst zu bezeichnen: er sei der Sohn des Menschen“ (al-Birûnî, Ta’rîkh al-Hind, Ed. Sachau, London 1919, Kapitel 3; Englischer Text: Bd. I, S. 36–39).
- (18) Diese Erklärung hat nichts zu tun mit dem so genannten Modalismus des dritten Jahrhunderts. Die Modalisten waren „Monarchianer“. Sie sagten: Es gibt nur einen Gott, den Vater. Jesus als Christus ist identisch mit dem Vater. Folglich sagten sie: Es ist der Vater, der Mensch wurde, litt und am Kreuz starb (Patripassionismus); der Sohn und der Geist sind nur verschiedene „Namen“. Diese Lehre, die in vielen Schattierungen und Farben auftrat, wurde zum Sabellianismus, nach Sabellius, der am Ende des dritten Jahrhunderts lebte. Schließlich, im vierten Jahrhundert, nahm sie die Gestalt des Arianismus an, der vorgab, der Sohn sei nicht mehr als eine Kreatur. All dies entwickelte sich als eine Reaktion gegen die Dreieinigkeit, um den Monotheismus zu betonen, der von der hellenistischen Philosophie (Stoa und Neo-Platonismus) herrührt. Es war das Konzil von Nizäa (325 n. Chr.), das diese Häresien verurteilte, mit der Versicherung, dass der Sohn ganz und gar wahrer Gott, „konsubstantiell“ mit dem Vater, und zugleich wahrer Mensch sei.